Hogan Lovells 2024 Election Impact and Congressional Outlook Report
Trademark Insight. Mit diesem Format informieren wir Sie in regelmäßigen Abständen über aktuelle markenrechtliche Entscheidungen.
Liebe Leserinnen und Leser,
auch im letzten Monat gab es wieder interessante Entscheidungen, die wir Ihnen in der aktuellen Ausgabe des TRADEMARK INSIGHT zusammengestellt haben. Sie lesen nachfolgend unsere Zusammenfassungen zu Entscheidungen deutscher Gerichte, der EUIPO-Beschwerdekammern und des EuG. Besonders interessant dürften die Entscheidungen zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, zu den Grundsätzen zur durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft, zur Berücksichtigung nachgeschobener Widerspruchsgründe sowie schließlich zur Verwirkung sein.
Wir freuen uns über Ihr Feedback und Anregungen per E-Mail an trademark.insight@hoganlovells.com.
Eine nützliche Lektüre und viel Freude an unseren Zusammenfassungen wünschen Ihnen
Thorsten Klinger und Dr. Andreas Renck
Der BGH befasste sich kürzlich mit dem Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Abgabe einer Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch. Der Entscheidung geht ein auf Unterlassung gerichtetes einstweiliges Verfahren gegen eine Rechtsverletzerin voraus, die die von der Markeninhaberin angeforderte Unterlassungserklärung ohne konkret bezifferte Vertragsstrafe (sogenannte Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“) abgab. Nach erneuter Rechtsverletzung forderte die Rechtsinhaberin in der Abmahnung erneut die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit bezifferter Vertragsstrafe. Die abermals lediglich nach Hamburger Brauch abgegebene Erklärung lehnte die Rechtsinhaberin ab, da die Erklärung ohne Bezifferung einer Vertragsstrafe die Wiederholungsgefahr nicht ausräume. Die Rechtsinhaberin verfolgte ihre Ziele daraufhin klageweise.
Das angerufene LG Braunschweig wies den Unterlassungsantrag wegen fehlender Wiederholungsgefahr zurück, da die Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch auch hier die Wiederholungsgefahr beseitigt habe.
Die Berufung war nur hinsichtlich kerngleicher Verletzungshandlungen erfolgreich. Im Übrigen (also hinsichtlich identischer Verletzungshandlungen) sei die Erklärung als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens zu qualifizieren, deren Nichtannahme den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht hindere. Auch dass es sich um eine wiederholte Unterlassungserklärung mit einer unbezifferten Vertragsstrafe handele, stehe der Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht entgegen.
Die hiergegen eingelegte Revision war erfolgreich. Der Unterlassungsanspruch sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur hinsichtlich der kerngleichen, sondern auch hinsichtlich der identischen Verletzungshandlungen nicht durch die Abgabe der Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch erloschen. Dem Beklagten sei zu verbieten, Verletzungshandlungen fortzusetzen, sofern einer solchen Anordnung nicht besondere Gründe entgegenstehen. Ein solcher Grund könne in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung liegen. Die erneute Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“ stehe dem Wegfall der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht entgegen. Sehr wohl hindere allerdings die Ablehnung des Unterlassungsvertrages durch die Markeninhaberin einen solchen Wegfall der Wiederholungsgefahr.
Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass die erneute Abgabe einer Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch grundsätzlich ausreichend sei. Zwar bedürfe es bei einer erneuten Verletzungshandlung einer Unterlassungserklärung mit höherer Vertragsstrafe, diesem Erfordernis werde der Hamburger Brauch allerdings gerecht, da er die Festsetzung einer Vertragsstrafe in jeder Höhe zulasse. Dem Markeninhaber stehe es daher frei, eine erhöhte Vertragsstrafe festzusetzen.
Allerdings stehe dem Wegfall der Wiederholungsgefahr vorliegend die Ablehnung der Unterlassungserklärung entgegen. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe werde nicht bereits durch den Zugang der Unterlassungserklärung begründet, sondern erst durch deren Annahme. Die Wiederholungsgefahr entfalle zwar grundsätzlich schon durch den Zugang, Zahlungsansprüche könnten allerdings erst nach Annahme des Unterlassungsvertrags geltend gemacht werden.
Dass grundsätzlich bereits der Zugang einer Unterlassungserklärung den Wegfall der Wiederholungsgefahr bedeute, rechtfertige sich durch seine Abschreckungswirkung. Im Falle eines wiederholten Verstoßes bedürfe es für die Abschreckungswirkung allerdings einer weiteren Vertragsstrafeverpflichtung, da die erste den Schuldner offenkundig nicht von einer erneuten Verletzung abgehalten hat. Eine solche Abschreckungswirkung sei nur gegeben, wenn das Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages auch nach der üblichen Annahmefrist bindend ist.
Lehne der Unterlassungsgläubiger die Annahme einer solchen Erklärung ab, fehle es ab diesem Zeitpunkt an einer verhaltenssteuernden Vertragsstrafendrohung, die den Schuldner von künftigen Verstößen abhalten soll. Im Ergebnis sei in Fällen wiederholter Verletzungshandlungen daher der endgültige Wegfall der Wiederholungsgefahr vom Gläubiger abhängig, der durch seine Ablehnung der auf den Abschluss einer angemessenen Vertragsstrafenvereinbarung gerichteten Unterlassungserklärung den endgültigen Wegfall der Wiederholungsgefahr gegenüber dem Gläubiger verhindern kann.
(BGH, Vers.-Urt. v. 1.12.2022, I ZR 144/21)
Das EuG entschied kürzlich zur Schutzfähigkeit des unten links dargestellten Zeichens „essence“ für verschiedene Nahrungsergänzungs- und Lebensmittel in den Klassen 5, 29, 30 und 32. Das Amt hatte die Anmeldung zuvor für sämtliche Waren mit Ausnahme von Milch und Honig als beschreibend zurückgewiesen, was von der Beschwerdekammer bestätigt wurde.
Die hiergegen gerichtete Klage vor dem EuG blieb ohne Erfolg. Das Zeichen werde als Hinweis auf ein Extrakt oder Konzentrat verstanden, das zum Aromatisieren oder als Duftstoff genutzt wird. Es werde daher bei den fraglichen Waren als beschreibender Hinweis darauf verstanden, dass die Waren Essenzen, beispielweise aus Pflanzen, enthalten. Der erste Buchstabe „e“ werde im hier fraglichen Zeichen entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht isoliert von der restlichen Buchstabenfolge wahrgenommen, sondern von den angesprochenen Verkehrskreisen als Anfangsbuchstabe des Wortes „essence“ aufgefasst. Es bestehe insoweit ein Unterschied zu der von der Anmelderin angeführten vorherigen Entscheidung bezüglich des unten rechts dargestellten Zeichens, in dem das grafisch ausgestaltete „e“ über dem Wort „essence“ angeordnet ist und eine separate und selbstständige Position innerhalb der Marke einnimmt. Hinsichtlich der Unterscheidungskraft des Bildelements schloss sich das Gericht der Beschwerdekammer an und entschied, dass der Verkehr dieses als rein dekorativ wahrnehme.
(EuG, Urt. v. 7.12.2022, T-738/21)
Die EUIPO-Beschwerdekammer entschied zur Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen „Buffet“ und „BUFF“, die jeweils u.a. in Klasse 25 Schutz beanspruchen. Die Widerspruchsabteilung hatte den Widerspruch zuvor trotz weitestgehender Warenidentität zurückgewiesen, da die zusätzlichen Buchstaben „et“ das Anmeldezeichen signifikant verlängern, sodass bildlich und klanglich allenfalls eine unterdurchschnittliche Ähnlichkeit bestehe. Der Verbraucher erinnere sich an das eindeutige begriffliche Konzept „Buffet“, sodass die Zeichen in begrifflicher Hinsicht unähnlich seien. Dies neutralisiere die schwache Zeichenähnlichkeit, sodass insgesamt trotz teilweiser Warenidentität und gesteigerter Bekanntheit der Widerspruchsmarke nicht von einer Verwechslungsgefahr auszugehen sei.
Gegen die den Widerspruch zurückweisende Entscheidung legte die Widersprechende erfolgreich Beschwerde ein. Die Beschwerdekammer bestätigte die Ausführungen zum Warenvergleich und zur Kennzeichnungskraft der Zeichen. Im Rahmen des Zeichenvergleiches sei aber von einer durchschnittlichen bildlichen Ähnlichkeit auszugehen, da der Zusatz „et“ im Anmeldezeichen keine substantielle Verlängerung der älteren Marke bedeute und überdies dem in beiden Zeichen enthaltenen Doppelbuchstaben „FF“ eine prägende Rolle zukomme. Ungeachtet der unterdurchschnittlichen klanglichen Ähnlichkeit und der für Teile des englischsprachigen Verkehrs unterschiedlichen Bedeutungen, sei eine Neutralisierung jeglicher Zeichenähnlichkeit durch eindeutige begriffliche Unterschiede nicht zu erkennen. Dies gelte nicht nur für Verkehrskreise, für die keines der beiden Zeichen einen konkreten Inhalt vermittle, sondern auch für solche, die lediglich eines der beiden Zeichen verstünden. Im Fall eines jedenfalls für einen Begriff fehlenden Konzeptverständnisses liege keine (ggf. neutralisierende) Unterschiedlichkeit, sondern lediglich eine fehlende Ähnlichkeit vor, die sich auf den Zeichenvergleich neutral auswirke.
Eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre ergebe deshalb eine Verwechslungsgefahr, sodass die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei.
(EUIPO BoA, Entsch. V. 16.12.2022, R 528/2022-2)
Die HUMMEL HOLDING AS meldete im Jahr 2020 das unten dargestellte Zeichen beim EUIPO als Unionspositionsmarke für Schuhe, insbesondere Freizeit- und Sportschuhe in Klasse 25 an. Nach Beanstandung wegen fehlender Unterscheidungskraft wies die Anmelderin darauf hin, dass sie bei fehlender originärer Unterscheidungskraft eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft beanspruche.
Das Amt wies die Anmeldung allerdings auch nach Einreichung umfangreicher Nachweise durch die Anmelderin zurück, da eine erlangte Unterscheidungskraft nicht nachgewiesen sei. Zwar bestünden u.a. aufgrund der beträchtlichen Marketingausgaben keine Zweifel daran, dass die gesamte Bevölkerung der EU der Marke bereits ausgesetzt worden sei. Dennoch sei nicht davon auszugehen, dass die Anmelderin mit ihrer Marke in sämtlichen Ländern der EU Unterscheidungskraft erlangt habe.
Die Beschwerde der Anmelderin war nunmehr erfolgreich. Eine erlangte Unterscheidungskraft müsse dort nachgewiesen werden, wo es dem Anmeldezeichen an originärer Unterscheidungskraft fehle, was vorliegend das gesamte Unionsgebiet sei. Während es übertrieben sei, einen solchen Nachweis für jedes einzelne Land zu fordern, dürfe dies nicht dahingehend verstanden werden, dass ein solcher Nachweis für einen wesentlichen Bestandteil der EU ausreiche. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der für einen Mitgliedstaat erbrachte Nachweis aufgrund des internationalisierten und teilweise zu Vermarktungsräumen zusammengefassten Handels auch für andere Mitgliedstaaten relevant sein könne. Ein solcher Nachweis könne entweder global für alle betroffenen Mitgliedstaaten oder gesondert für verschiedene Mitgliedstaaten oder Gruppen von Mitgliedstaaten erbracht werden.
Relevante Faktoren seien etwa der von der Marke gehaltene Marktanteil, die geografische Ausdehnung und Dauer der Benutzung , der Umfang der Investitionen in die Marke. Notwendig sei weiter, dass ein beträchtlicher Anteil der relevanten Verkehrsteilnehmer des betreffenden Mitgliedstaates beim Betrachten des Zeichens erkenne, dass die damit ausgestatteten Produkte von einem einzigen Unternehmen stammen.
Insbesondere aufgrund der Besonderheit der EU und ihrer Eigenschaft als Binnenmarkt dürfe auch die Existenz kleinerer Regionen und Märkte nicht verkannt werden, wobei jedoch stets auch deren Größe und Verteilung zu berücksichtigen sei. Insgesamt müsse die Gesamtheit aller Nachweise ein quantitativ wie geografisch repräsentatives Muster für eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft im gesamten Unionsgebiet darstellen.
Vorliegend sei es der Anmelderin gelungen, durch die umfangreichen Nachweise eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft im gesamten Unionsgebiet zu belegen. Hierbei sei insbesondere ihr jahrelanges Sponsoren-Engagement bei sportlichen Großveranstaltungen ins Gewicht gefallen, das dazu geführt habe, dass die Marke im Europäischen Handball als ikonisch angesehen werde. Zu Recht habe sie auch darauf hingewiesen, dass den Besonderheiten eines globalisierten Handels Rechnung zu tragen sei. Sie habe glaubhaft darlegen können, dass die einen Vertriebspartner betreffenden Nachweise durchaus für verschiedene Mitgliedstaaten zu berücksichtigen seien. Insgesamt erkannten hinreichende Teile des Verkehrs das Zeichen als Herkunftshinweis.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 7.10.2022, R 208/2022-1)
Das BPatG befasste sich kürzlich mit der Unterscheidungskraft der Wort-/ Bildmarke „HUQQA“ für Waren der Klasse 34 und 35, darunter Tabakprodukte, Raucher-Zubehör, Pfeifen und Messedienstleistungen. Das Zeichen ähnele dem Begriff „Huka“ bzw. „Hookah“, der ein in den deutschen Sprachgebrauch eingegangener Begriff für Wasserpfeife sei, sodass das Zeichen als bloßer Sachhinweis aufgefasst werde.
Das DPMA hatte zuvor für die einen Zusammenhang zu Tabak bzw. Wasserpfeifen aufweisenden Waren eine fehlende Unterscheidungskraft festgestellt. Das Wort „HUQQA“ sei ein Synonym für Wasserpfeife. Auch die grafische Ausgestaltung verleihe dem Zeichen keine Unterscheidungskraft, da die Elemente keine besondere Komplexität oder Originalität erkennen ließen, sondern bloß dekorativ und werbeüblich seien. Darüber hinaus bestehe auch ein Freihaltebedürfnis.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde gab das BPatG nun statt. In seiner konkreten Ausgestaltung besitze das Zeichen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Zwar sei der Wortbestandteil der Marke tatsächlich eine abgewandelte Form des auch in Deutschland seit langem lexikalisch erfassten Begriffes für eine indische Wasserpfeife „Hookah“ bzw. „Huka“. Der Verkehr verstehe den Begriff auch entsprechend, sodass er in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Sachangabe darstelle. Auch führe weder die Doppelkonsonantenfolge „QQ“, noch die unterschiedliche Buchstabengröße zur Unterscheidungskraft.
Unterscheidungskraft werde gleichwohl durch die grafische Ausgestaltung geschaffen. Im Vergleich zu der zuvor bereits abgelehnten unten rechts dargestellten Marke erziele das zusätzliche bogenartige Element unterhalb der Buchstabenkombination „QQ“ eine gewisse charakteristische Bildwirkung. Zwar seien Ober- und Unterstrichen grundsätzlich einfache, werbeübliche grafische Elemente, was auch für den hier zusätzlichen Bogen gelte. Allerdings entstehe durch die Kombination der beiden Bögen und die Buchstabenkombination „QQ“ eine besondere bildhafte Wirkung innerhalb des Gesamtzeichens, die als lachendes Gesicht wahrgenommen werde. Statt auf eine etwaige entsprechende Zielsetzung der Markeninhaberin sei auf die naheliegende Wahrnehmung durch den angesprochenen Verkehr abzustellen. Die beiden Bogenelemente besitzen damit nicht lediglich eine verzierende Wirkung.
Auch ein Freihaltebedürfnis liege nicht vor, da die Marke keinen Schutz für eine zeichenmäßige Benutzung des Wortelementes in beliebiger Form genieße, sondern bloß in der konkreten grafischen Ausgestaltung.
(BPatG, Beschl. v. 23.1.2023, 29 W (pat) 23/20)
Die EUIPO-Beschwerdekammer befasste sich kürzlich im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens mit der Bösgläubigkeit der Anmeldung der Unionswortmarke „hepsiburada“. Zuvor hatte die Nichtigkeitsabteilung den entsprechenden Antrag zurückgewiesen. Zwar handele es sich bei der Antragstellerin laut diverser Nachweise tatsächlich um ein im EMEA-Raum äußerst erfolgreiches und bekanntes Unternehmen mit beachtlichem Wachstum in Europa. Die Antragstellerin habe allerdings keine hinreichenden Nachweise dafür vorgebracht, dass die Markeninhaberin durch die Anmeldung einer mit dem türkischen Unternehmenskennzeichen bzw. den älteren türkischen Markenrechten identischen Zeichen bösgläubig gehandelt habe. Immerhin habe die Antragstellerin zuvor ebenso die Möglichkeit gehabt, im vom „first-to-file“-Prinzip geprägten Unionsmarkensystem Markenrechte zu beanspruchen. Eine bösgläubige Absicht könne der Anmelderin aufgrund der zum Anmeldezeitpunkt nur geringen Anstrengungen der Antragstellerin auf dem Europäischen Markt nicht unterstellt werden.
Die gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung eingelegte Beschwerde der Antragstellerin war nun erfolgreich. Die Nichtigkeitsabteilung habe bei ihrer Beurteilung Teile der von der Antragstellerin vorgebrachten Dokumente rechtsfehlerhaft als verspätet zurückgewiesen. Aus diesen Dokumenten sei eindeutig eine Bösgläubigkeit der Markeninhaberin zu erkennen.
Entgegen dem Vorbringen der Markeninhaberin beanspruche die angefochtene Marke solche Waren und Dienstleistungen, die zu denen der zeichenidentischen türkischen Marken identisch seien. Da die damalige Anmelderin der angefochtenen Marke ebenfalls im e-commerce-Sektor aktiv gewesen sei und ihr türkischer Geschäftsführer ebenfalls Geschäftsführer einer türkischen Gesellschaft gewesen sei, bestünden keine Zweifel an der Kenntnis der Anmelderin von der Existenz und Geschäftstätigkeit der Antragstellerin. Die Entscheidung zur Markenanmeldung erschließe sich nicht aus unternehmerischer Logik und eine Benutzung der Marke durch die Markeninhaberin sei ebenfalls nicht vorzuweisen. Die Gesamtbetrachtung aller Umstände könne zu keinem anderen Ergebnis führen, als dass die Marke lediglich zu Behinderungszwecken und somit bösgläubig angemeldet worden sei. Schließlich sei zur Annahme auch keine umfangreiche Geschäftstätigkeit der Antragstellerin unter dem gegenständlichen Zeichen und dessen Bekanntheit in Europa notwendig.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 24.1.2023, R 639/2021-4)
Das EuG hat sich in dieser aktuellen Entscheidung mit der Frage befasst, ob sich das EUIPO bei alleiniger Geltendmachung von Doppelidentität dennoch mit dem Vorliegen einer Verwechslungsgefahr auseinandersetzen darf.
In dem zugrundeliegenden Widerspruchsverfahren war die Hacker-Pschorr Bräu GmbH aus ihren Wortmarken "HACKERBRÄU", "HACKER" und "HACKER-PSCHORR" sowie der unten abgebildeten Wort-/Bildmarke gegen das Anmeldezeichen "HACKER SPACE" vorgegangen und hatte sich im Rahmen des Online-Formulars des EUIPO ausschließlich auf Doppelidentität, nicht aber auf Verwechslungsgefahr berufen.
Nach Aufforderung zur Einreichung weiterer Nachweise über die Widerspruchsmarken machte die Widersprechende in ihrer ergänzenden Stellungnahme auch eine Verwechslungsgefahr geltend. Nachdem die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch teilweise wegen Verwechslungsgefahr stattgab, hob die Beschwerdekammer die Entscheidung insoweit auf, da sich die Widersprechende bei Erhebung des Widerspruches nicht auf Verwechslungsgefahr berufen habe und eine Doppelidentität offensichtlich nicht vorliege. Eine nachträgliche Ausweitung der Widerspruchsgründe sei spätestens mit Ablauf der Widerspruchsfrist nicht mehr möglich.
Die hiergegen erhobene Klage der Widersprechenden blieb ohne Erfolg. Jegliches Vorbringen, weshalb der Widerspruch offensichtlich auch auf eine Verwechslungsgefahr gestützt worden sein sollte und diese daher vom Amt aus Treu und Glauben als Widerspruchsgrund hätte berücksichtigt werden müssen, blieb erfolglos. Insbesondere sei die Verwechslungsgefahr nicht als ein Minus im Widerspruchsgrund der Doppelidentität enthalten.
Zwar sei korrekt, dass die Prüfungsrichtlinien des EUIPO grundsätzlich vorsehen, dass bei Nichtvorliegen des einzig beanspruchten Widerspruchsgrundes der Doppelidentität eine Verwechslungsgefahr zu prüfen sei. Allerdings seien diese Richtlinien nicht rechtsverbindlich. Die Entscheidungen des Amtes dürften ausschließlich auf den Vorschriften der Unionsmarkenverordnung und deren Auslegung durch die Rechtsprechung beruhen. Dem stehe auch nicht eine etwaige Mehrbelastung des Amtes durch die Notwendigkeit eines weiteren (Nichtigkeits-) Verfahrens entgegen. Die Zurückweisung sei daher zu Recht erfolgt.
(EuG, Urt. v. 1.2.2023, T-349/22)
Die EUIPO-Beschwerdekammer entschied jüngst zur Unterscheidungskraft des Zeichens „420/7“ u.a. für Cannabis für medizinische Zwecke, Cannabispflanzen, Samen zum Anbau von Gras und Tabak. Das Amt hatte die Anmeldung zuvor wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten zurückgewiesen. In ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde machte die Anmelderin geltend, dass nicht hinreichend dargelegt worden sei, weshalb der Bestandteil „420“ ein Codewort für „Cannabis“ darstelle und sich die Prüfung unzulässigerweise auf diesen Bestandteil beschränkt habe.
Die angerufene Beschwerdekammer gab der Beschwerde statt und verwies die Sache zur erneuten Prüfung zurück, wo die Anmeldung nunmehr wegen beschreibender Wirkung und fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen wurde. Das Zeichen werde als beschreibender Hinweis auf an 7 Tagen der Woche verfügbares Cannabis verstanden. Auch hiergegen legte die Anmelderin Beschwerde ein.
Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde nun als unbegründet zurück. Der Bestandteil „420“ werden von den allgemeinen Verkehrskreisen und dem relevanten Fachpublikum als Hinweis auf Cannabis und der Bestandteil „/7“ auf die tägliche Verfügbarkeit verstanden. Für die beanspruchten Waren, die entweder Cannabis seien oder in engem Zusammenhang damit stehen, gehe das Zeichen somit nicht über die beschreibende Wirkung hinaus, sodass es dem Zeichen an Unterscheidungskraft fehle.
Die vorherige Amtsentscheidung, in der der Prüfer die Anmeldung ausschließlich aufgrund eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten zurückgewiesen hatte, entfalte keinerlei Bindungswirkung. Insbesondere sei ihr nicht zu entnehmen, dass eine endgültige Entscheidung über das (Nicht-) Vorliegen bestimmter Eintragungshindernisse getroffen worden sei. Insgesamt sei die Anmeldung daher rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden.
(EUIPO BoA, Entsch v. 24.1.2023, R 1689/2022-1)
Das EuG hatte über die Verwechslungsgefahr zwischen den unten abgebildeten Marken „SFR SPORT 1“ (Anmeldemarke) und „sport1“ (Widerspruchsmarke) zu entscheiden. Die dem Widerspruch stattgebende Entscheidung der Widerspruchsabteilung wurde von der Beschwerdekammer aufgehoben – eine Verwechslungsgefahr sei zwischen den Zeichen nicht zu erkennen. Die hiergegen erhobene Klage der Widersprechenden war nun teilweise erfolgreich.
Das Gericht bestätigte zunächst die Annahme einer umfassenden Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit. Im Rahmen des Zeichenvergleichs sei der Beschwerdekammer aber ein Rechtsfehler unterlaufen, indem die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Die Annahme der Beschwerdekammer, dass der Verkehr die Bestandteile „sport“ und „1“ als bloße generische Hinweise verstehe, wirke sich hier nicht kennzeichnungsschwächend aus. Aufgrund der durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erkenne der Verkehr das Zeichen „sport1“ der Widersprechenden in der angegriffenen Marke wieder.
Die Feststellung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft könne nicht durch andere Faktoren wieder geschmälert werden. Jedenfalls für die identischen Waren und Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft beanspruche, liege deshalb trotz einer eher schwachen Zeichenähnlichkeit nach einer Gesamtabwägung eine Verwechslungsgefahr vor. Die Entscheidung der Beschwerdekammer sei in diesem Umfang aufzuheben.
(EuG, Urt. v. 8.2.2023, T-141/22)
Die Anheuser-Busch LLC ist Inhaberin der unten dargestellten Unionsmarke „ULTRA“, geschützt für Bier in Klasse 32. Gegen diese Marke stellte die Amstel Brouwerij B.V. im Jahr 2020 einen Nichtigkeitsantrag wegen fehlender Unterscheidungskraft. Die Nichtigkeitsabteilung wies den Antrag im Jahr 2021 zurück.
Die Beschwerde der Antragstellerin blieb ohne Erfolg. Der Begriff „ULTRA“ sei ohne ein Bezugswort unterscheidungskräftig, da durch das Zeichen keine konkrete Nachricht vermittelt werde. Für die beanspruchte Ware „Bier“ ergebe sich keine anpreisende oder sonst positive Wirkung. Auch sei der Antragstellerin nicht gelungen, eine solche Wirkung durch auf dem Markt vorkommende Drittbenutzungen nachzuweisen, da der Begriff „ULTRA“ in den vorgebrachten Nachweisen nie in Alleinstellung, sondern stets mit einem Bezugswort benutzt werde. Auch ergebe sich nichts Gegenteiliges aus den von der Antragstellerin vorgebrachten früheren EuG- und Amtsentscheidungen mit dem Zeichenbestandteil „ULTRA“, da der Begriff dort stets in Kombination mit einem Bezugswort verwendet werde.
Als vager Begriff, der dem Verkehr keine konkrete Bedeutung in Bezug auf die beanspruchten Waren vermittle, besitze das Zeichen keinen beschreibenden Charakter und sei unterscheidungskräftig. Die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung sei daher nicht zu beanstanden.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 24.1.2023, R 2088/2021-5)
Eine deutsche Privatperson meldete im Jahr 2014 das unten dargestellte Zeichen „SkyBoxing“ beim DPMA für diverse Dienstleistungen der Klasse 41 an. Hiergegen erhob die Sky International AG Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr mit ihren beiden prioritätsälteren Unionswortmarken „SKY“ und „SKY BOX“.
Die Widerspruchsabteilung des DPMA wies die Widersprüche zurück. Zwar seien die gegenüberstehenden Dienstleistungen mindestens hochgradig ähnlich. Allerdings führe die Bedeutung der beiden Zeichen zu einem unterschiedlichem Verkehrsverständnis. Insbesondere werde die Widerspruchsmarke „SKY BOX“ nicht als Hinweis auf das englische Verb für „Boxen“ verstanden. Auf eine etwaige Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke komme es nicht an.
Die hiergegen von der Widersprechenden vor dem BPatG erhobene Beschwerde war nun erfolgreich. Zwar bestehe aufgrund der Gestaltung der Anmeldemarke keine relevante visuelle Zeichenähnlichkeit. Allerdings bestehe hier eine überdurchschnittliche klangliche Ähnlichkeit, zumal der Wortbestandteil den Gesamteindruck präge. Das Anmeldezeichen werde wegen der Binnenversalie vom Verkehr als zwei Wörter erfasst. Der Bestandteil „Boxing“ werde beschreibend verstanden, weshalb der Verkehr sich auf den Bestandteil „Sky“ konzentriere, der mit der Widerspruchsmarke identisch sei. Dies führe zu einer überdurchschnittlichen klanglichen Ähnlichkeit und nach einer Gesamtabwägung zur Annahme einer Verwechslungsgefahr.
(BPatG, Beschl. v. 20.12.2023, 28 W (pat) 16/20)
Das Hanseatische OLG entschied über die Verletzung der unten links dargestellten 3D-Marke (nachfolgend „Bulli“-Marke) der Volkswagen AG, geschützt u.a. für Modellautos in Klasse 28, durch die von der Model Car World GmbH vertriebenen, unten rechts dargestellten Modellfahrzeuge. Die Beklagte war ehemals selbst Lizenznehmerin der Klägerin und vertrieb die streitgegenständlichen Modellautos nach Beendigung des Lizenzvertrags weiter.
Kern des Verfahrens war neben der rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarken insbesondere die Frage, ob der Vertrieb von Modellautos eine markenrechtsverletzende Benutzung darstelle. Im Ergebnis hob das OLG die erstinstanzliche Entscheidung auf und sprach der Markeninhaberin einen Unterlassungsanspruch sowie umfassende Folgeansprüche zu.
Ausführungen zur rechtserhaltenden Benutzung: Zunächst hatte sich das OLG mit der Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarke zu befassen. Eine solche ist noch vom Landgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung auch mit dem Argument verneint worden, dass der hier gegenständliche Lizenzvertrag die später eingetragene Marke offenkundig nicht erfassen könne. Anders nun das OLG: Der Vertrag lasse erkennen, dass auch die Form des Bullis als solche Lizenzgegenstand gewesen sei, weshalb die Benutzung durch die Beklagte der Klägerin zugerechnet werden könne.
Ausführungen zur herkunftshinweisenden Benutzung: Die Wertungen der „Opel-Blitz II“-Entscheidung des BGH (Urt. v. 14.1.2010 - I ZR 88/08) seien entgegen der Auffassung des LG Hamburg auf die hiesige Konstellation nicht übertragbar. In „Opel-Blitz II“ hatte der BGH angenommen, dass originalgetreue Fahrzeugnachbildungen nicht (auch) herkunftshinweisende Funktion hätten, da der Anknüpfungspunkt der Herkunftsvorstellungen des Verkehrs Kraftfahrzeuge und kein Spielzeug sei.
Dem widersprach das OLG nun. Immerhin hätte eine andere Wertung zur Konsequenz, dass eine (auch) für Spielzeug- oder Modellwaren eingetragene Formmarke stets von vornherein eine Schutzlücke besitze. Eine rechtserhaltende Benutzung könne durch originalgetreue Nachbildungen nie erreicht werden, wenn man argumentierte, dass der Verkehr der Nachbildung nur für die nachempfundene Originalware einen Herkunftshinweis entnehme.
Eine markenmäßige Benutzung liege demnach dann vor, wenn beim Verkehr der Eindruck entstehen könne, dass es sich um autorisierte Ware handele. Hierfür seien die jeweiligen spezifischen Branchengewohnheiten zu berücksichtigen. In der Automobilbranche sei der Verkehr seit langem daran gewöhnt, auch in der äußeren Form von Fahrzeugen einen Herkunftshinweis zu erkennen. Hersteller bemühten sich deshalb, durch gleichbleibende, herstellertypische Gestaltungsmerkmale charakteristische Merkmale mit identitätsstiftender Funktion zu schaffen. Dies gelte ebenso für Spielwaren der Klasse 28.
Auch Verkehrsumfragen ließen erkennen, dass der Verkehr der Form von Modellautos regelmäßig Herkunftshinweise entnehme. Weiter gehe der Verkehr davon aus, dass es für die Herstellung und den Vertrieb solcher originalgetreuer Modellautos einer Erlaubnis oder Lizenz des Originalfahrzeugherstellers bedürfe. Es seien insofern die für Merchandising-Artikel entwickelten Grundsätze heranzuziehen.
Zwischen der 3D-Marke und den Fahrzeugmodellen bestehe jedenfalls Verwechslungsgefahr. Darüber hinaus bestehe auch ein Anspruch aus Bekanntheitsschutz.
Es sei schließlich auch kein berechtigtes Interesse der Beklagten zu erkennen, die 3D-Marke ohne Gegenleistung zu benutzen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf einen seit 20 Jahren „rechtlich gesicherten Ausnahmetatbestand“ berufen. Auch der Modellbereich sei als Abbildung der Wirklichkeit kein (marken-) rechtsfreier Raum. Die Wirkungen der Formmarke dürften nicht durch solche Einwände unterlaufen werden, die den Markenschutz letztlich leerlaufen ließen.
(OLG Hamburg, Urt. v. 26.1.2023, 5 U 61/21)
Hinweis: Zuletzt entschied übrigens das OLG Köln (Urt. v. 29.4.2022, 6 U 178/21) in einem Verfahren betreffend originalgetreuer Nachbauten eines DACHSER-LKW und einer DACHSER-Lagerhalle genau gegenteilig. Das OLG Köln erkannte in den beiden Modellen eine Markenverletzung weder durch Verwechslungsgefahr, noch durch Rufausbeutung. Zwar profitiere der Modell-Hersteller aufgrund der erhöhten Attraktivität und des entstehenden Sammelanreizes von einem möglichen guten Ruf der übernommenen Marken. Allerdings hänge dies unweigerlich mit der Nachbildung von in der Wirklichkeit existierenden Objekten zusammen. Beschränke sich der Hersteller bei der Wiedergabe der Marke ohne werblichen Überschuss auf den detailgetreuen Nachbau, so tangiere dies aufgrund der besonderen Verkehrserwartung und der Üblichkeit auf dem Gebiet des Modellbaus weder die Herkunfts-, noch die Garantiefunktion. Die allenfalls zu erkennende Berührung der Werbe- und Kommunikationsfunktion sei nicht unlauter.
Zu berücksichtigen ist beim Vergleich dieser beiden Entscheidungen allerdings, dass es sich bei dem Verfahren vor dem OLG Köln nicht um eine Form- sondern eine reine Wortmarke handelte, die zudem nicht für Spielzeug und Modellwaren der Klasse 28 geschützt ist. Dennoch stehen die jeweiligen Ausführungen zur Wahrnehmung von originalgetreuen Nachbildungen der Wirklichkeit durch den Verkehr teilweise zueinander im Widerspruch.
Das EuG hatte über die Verwechslungsgefahr zwischen den unten abgebildeten und jeweils Kosmetikwaren der Klasse 3 beanspruchenden Zeichen "U UNISKIN by Dr. Søren Frankild“ (Anmeldemarke) und “UNICSKIN YOUR EFFECTIVE SOLUTION“ (Widerspruchsmarke) zu entscheiden.
Nachdem bereits die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammer des EUIPO von einer Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen ausgegangen waren, hat nun auch das EuG die Verwechslungsgefahr bestätigt.
Der als Einzelbuchstabe wahrgenommene Bestandteil „U“ des Anmeldezeichens werde vom Verkehr als bloße Wiederholung des ersten Buchstabens des Wortes "UNISKIN" erkannt, kennzeichnungskräftiger Bestandteil des Anmeldezeichens sei deshalb allein „UNISKIN“. Dem stehe der kennzeichnungsstarke Bestandteil „UNICSKIN“ der Widerspruchsmarke gegenüber.
Entgegen dem Vorbringen der Anmelderin verfüge die Widerspruchsmarke über durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da sie vom maßgeblichen spanischen Verkehr nicht beschreibend im Sinne von „unique skin“ verstanden werde. Selbst wenn man trotz der falschen Schreibweise von einem solchen Verkehrsverständnis ausgehe, habe „unique skin“ keine konkrete beschreibende Bedeutung.
Die sich somit gegenüberstehenden Elemente „unicskin“ und „uniskin“ seien nahezu identisch. Die für einen klanglichen Zeichenvergleich einzig relevanten Bestandteile zeigten eine hohe klangliche Ähnlichkeit. Es sei davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Teil des spanischen Verkehrs die Zeichen als bloße phantasiebegriffe erkenne und aus ihnen keine Bedeutung ableite. Für einen gewissen Teil des Verkehrs, der den Zeichen einen Hinweis auf einen Hautbezug entnehme, bestehe überdies eine durchschnittliche begriffliche Zeichenähnlichkeit.
Die Beschwerdekammer sei nach alledem rechtsfehlerfrei von einer Verwechslungsgefahr ausgegangen.
(EuG, Urt. v. 8.2.2023, T-787/21)
Im Anschluss an das Vorabentscheidungsurteil des EuGH vom 19.5.2022 (C – 466/20) befasste sich nun der BGH mit Fragen der Verwirkung der Rechtsdurchsetzung in Sachen „HEITEC“.
Hintergrund: Die Heitec AG ging aus ihren Kennzeichen „HEITEC“ gegen die Anmeldung und Benutzung einer Unionsmarke mit dem Wortbestandteil „heitech“ durch die Heitech Promotion GmbH vor. Auf die Abmahnung der Markeninhaberin schlug die Anmelderin den Abschluss einer Koexistenzvereinbarung vor. Die Markeninhaberin erhob daraufhin eine Unterlassungsklage.
Das OLG Nürnberg als Berufungsgericht ging von einer Verwirkung aus, da die Markeninhaberin in Kenntnis der ununterbrochenen Benutzung des Zeichens „Heitech“ durch die Beklagte in einem Zeitraum von fünf Jahren keine ausreichenden Maßnahmen zur Unterbindung der Benutzung unternommen habe. Der im Revisionsverfahren mit der Sache befasste BGH legte dem EuGH daraufhin einige Fragen zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH entschied, dass es zur Unterbrechung der Duldung einer ernsthaften gerichtlichen Geltendmachung bedarf. Ohne Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung beende eine bloße Abmahnung die Duldung nicht. (Einzelheiten und die Besprechung des EuG-Urteils finden auf Engage)
Entscheidung des BGH: Der BGH wies die Revision nun zurück. Die geltend gemachten Unterlassungs- und Folgeansprüche seien verwirkt. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes sei die Benutzung des Zeichens „Heitech“ durch die Klägerin während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren geduldet worden.
Zur Abwendung einer Verwirkung sei erforderlich, dass der Inhaber des älteren Zeichenrechts Maßnahmen veranlasst, die seinen Willen klar zum Ausdruck bringen, sich der Zeichenbenutzung zu widersetzen und der behaupteten Verletzung seiner Rechte abzuhelfen. Solche Bemühungen müssten auch eine hinreichende Konsequenz erkennen lassen. Weder eine Abmahnung, noch ein verfahrenseinleitendes Schriftstück sind für sich genommen zur Beendigung der Duldung ausreichend. Werde das verfahrenseinleitende Schriftstück aufgrund mangelnder Sorgfalt nicht rechtzeitig mit den formalen Anforderungen in Einklang gebracht, sei erst mit der Mängelbehebung von einer klaren und ernsthaften Absicht zur Rechtsverfolgung auszugehen.
Ohne Erfolg blieb auch das Vorbringen der Revision, dass durch die seit der Abmahnung vorgenommenen weiteren Verletzungshandlungen stets eine neue fünfjährige Verwirkungsfrist in Gang gesetzt worden sei. Die BGH-Rechtsprechung zur Verwirkung nach § 21 Abs. 4 MarkenG iVm § 242 BGB, wonach wiederholte gleichartige Markenverletzungen, die zeitlich unterbrochen auftreten, jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch auslösen und die Verwirkungsfrist neu beginnen lassen und im Falle von Dauerhandlungen auf den Beginn der erstmaligen Benutzung abzustellen sei, auf den vorliegenden Fall der Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG nicht übertragbar.
Der Verwirkung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben als Fall unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens lägen solche Fallkonstellationen zu Grunde, in denen der Verletzer keine eigene Zeichenrechtsposition besitzt und darauf vertraut, dass der Rechtsinhaber sein der Benutzung entgegenstehendes Zeichenrecht nicht durchsetzen werde. Die Verwirkungstatbestände des § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG dienten hingegen dem Interessenausgleich zwischen den Rechtspositionen zweier Zeicheninhaber. So solle der Inhaber eines jüngeren Zeichens dieses weiter nutzen dürfen, wenn der Inhaber älterer Rechte diese in einem Zeitraum von fünf aufeinanderfolgenden Jahren der Benutzung des jüngeren Zeichens nicht durchgesetzt hat. Für sämtliche im fünfjährigen Duldungszeitraum vorgenommene, gleichartige Benutzungsformen erlange der Inhaber des jüngeren Zeichens durch die Verwirkung ein faktisches Weiterbenutzungsrecht.
(BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 56/19)
Das BPatG entschied mit jüngst veröffentlichtem Beschluss zur Bösgläubigkeit der Anmeldung des Zeichens „Kosmetiksalon Babette, Bar Babette, Bar in der Karl-Marx-Allee“. Die für Betrieb einer Bar in Klasse 43 eingetragene Wortmarke ist nach dem Beschluss des BPatG wegen bösgläubiger Anmeldung für nichtig zu erklären und zu löschen.
Das BPatG hebt mit seinem Beschluss die vorherige DPMA-Entscheidung auf, nach der die Anmeldung nicht bösgläubig erfolgt sei.
Das BPatG hielt die Markenanmeldung, die sich offenkundig auf das in der Karl-Marx-Allee gelegene Gebäude beziehe, das als „Kosmetiksalon Babette“ bekannt sei und unter diesem Namen auch im Berliner Denkmalregister geführt werde, sehr wohl für bösgläubig. Der Anmelder wolle die dort betriebene Bar nach Auslaufens des Pachtvertrages an einem anderen Ort zur Bewahrung des Kundenstammes unter selbigem Namen weiterführen. Dabei handele es sich allerdings nicht wie vom DPMA angenommen um eine Maßnahme zur Förderung der eigenen Wettbewerbssituation.
Vielmehr sei die Anmeldung in der Absicht erfolgt, die wettbewerbliche Entfaltung Dritter zu beeinträchtigen. Die Bösgläubigkeit zeige sich insbesondere dadurch, dass nicht nur (wie sonst üblich) die Etablissementbezeichnung „Bar Babette“ oder „Kosmetiksalon Babette“, sondern beide Bezeichnungsalternativen in Kombination mit der konkreten Adresse angemeldet wurde. Die Anmelderin wolle offenkundig alle mit dem Gebäude in Verbindung stehenden Bezeichnungen monopolisieren, um nachfolgenden Pachtparteien Benennungsmöglichkeiten zu entziehen. Ein diese Sperrwirkung überwiegendes Eigeninteresse sei nicht zu erkennen. Für die Fortführung des Lokals an einer anderen Adresse sei die der Marke enthaltene Adressbezeichnung irreführend, sodass sich das Zeichen nach Auslaufen des Pachtvertrages nicht mehr als Kennzeichen eigne.
Eine etwaige Absicht, die Marke einer zukünftigen Pachtpartei zum Verkauf anzubieten sei ebenfalls rechtsmissbräuchlich, da sie von vornherein darauf abziele, Dritte zum Erwerb zu nötigen.
(BPatG, Beschl. v. 19.5.2022, 25 W (pat) 47/21)
Das BPatG entschied mit jüngst veröffentlichtem Beschluss zur Verwechslungsgefahr zwischen den beiden unten dargestellten Wort-/ Bildmarken „FRITTZ“ und „FRITZ“.
Das Gericht ging ebenso wie zuvor das DPMA von einer Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen aus. Die vom Anmeldezeichen beanspruchten Snacks auf der Basis von Kartoffeln befänden sich im hochgradigen Ähnlichkeitsbereich zu den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren, darunter Back- und Konditorwaren.
Ungeachtet der konkreten grafischen Gestaltung seien jeweils allein die Wortbestandteile zu berücksichtigen. Die sich gegenüber stehenden Zeichen seien jedenfalls in klanglicher Hinsicht identisch, da selbst wenn man davon ausginge, dass der Verkehr den durch stilisierte Pommes Frites dargestellten Doppelbuchstaben „TT“ nicht als solchen erkenne, das Anmeldezeichen vom Verkehr immer noch als „FRIZ“ ausgesprochen werde.
(BPatG, Beschl. v. 8.12.2022, 30 W (pat) 514/21)
Disclaimer: Bitte beachten Sie, dass es sich bei den in diesem Newsletter aufgenommenen Entscheidungen um eine von den Autoren vorgenommene, rein subjektive Auwahl relevanter markenrechtlicher Entscheidungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit handelt.