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Arbeitsverträge unterliegen keinem Formerfordernis? Bezogen auf unbefristete Arbeitsverträge ist das grundsätzlich richtig. Dennoch werden Arbeitsverträge regelmäßig noch mit handschriftlichen Unterschriften versehen, um den Anforderungen des Nachweisgesetzes nachzukommen. In einem zunehmend internationalen Arbeitsumfeld und nach zwei Jahren Homeoffice zeigt sich jedoch, dass der administrative Aufwand mit eigenhändig unterzeichneten Arbeitsverträgen nicht zu unterschätzen ist. Das hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt. Ob die Umsetzung der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (EU) 2019/1152 auch in Deutschland für mehr Flexibilität beim Abschluss von Arbeitsverträgen sorgen wird, ist zum jetzigen Stand jedoch fraglich.
Bereits 1991 hat der europäische Gesetzgeber mit der Nachweisrichtlinie 91/533/EWG den deutschen Gesetzgeber zur Verabschiedung des Nachweisgesetzes veranlasst. Über 30 Jahre später haben das Europäische Parlament und der Rat die sogenannte Arbeitsbedingungen-Richtlinie (EU) 2019/1152 beschlossen, welche die bestehende Nachweisrichtlinie ersetzt („Richtlinie“). Die Richtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen in der EU zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbare Beschäftigung gefördert wird. Dazu bedarf es einer Umsetzung auf nationaler Ebene bis zum 1. August 2022, die unter anderem auch das deutsche Nachweisgesetz reformieren wird.
Die aktuell gültige Fassung des Nachweisgesetzes verpflichtet Arbeitgebende, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und die Niederschrift dem Mitarbeitenden innerhalb des ersten Monats des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Bezüglich der wesentlichen Arbeitsbedingungen stellt das Nachweisgesetz einen umfassenden Katalog auf. Hier sind beispielsweise der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, der Zeitpunkt des Beginns der Beschäftigung, Informationen zu Arbeitszeit, Arbeitsort, Tätigkeit, Urlaubsanspruch und Vergütung aufzunehmen. Alles Punkte, die in einem gut gemachten Arbeitsvertrag enthalten sein sollten.
Im Rahmen der Unterzeichnung der Niederschrift ist eine handschriftliche Signatur erforderlich. Das Nachweisgesetz schließt die elektronische Form ausdrücklich aus. Durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag kann der Pflicht zur Ausfertigung einer „Niederschrift“ nachgekommen werden. Dies ist der Grund, warum Arbeitsverträge auch heute noch regelmäßig eigenhändig unterzeichnet werden. Denn in der Konsequenz ergibt sich für Arbeitgebende faktisch ein im Gesetz grundsätzlich nicht vorgesehenes Schriftformerfordernis für Arbeitsverträge. Allein in wenigen Ausnahmefällen sieht das Gesetz ausdrücklich die Schriftform vor. Zu nennen sind insbesondere Befristungsabreden, Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote oder Vertragsniederschriften in Ausbildungsverhältnissen.
Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz macht einen Arbeitsvertrag zwar nicht unwirksam. Zur Vermeidung von Erfüllungs- oder vertraglichen Schadensersatzansprüchen der Mitarbeitenden sowie drohender Nachteile bei der Darlegungs- und Beweislast in einem etwaigen Arbeitsgerichtsverfahren sind Arbeitgebende aber schon jetzt zur Einhaltung des Nachweisgesetzes angehalten.
Herzstück der Richtlinie ist zunächst die Ausweitung der von Arbeitgebenden zu beachtenden Nachweispflichten. Beispielsweise muss zukünftig über die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage informiert werden und, im Falle einer betrieblichen Altersversorgung, Name und Anschrift des Versorgungsträgers genannt werden. In Bezug auf die Form der Unterrichtung eröffnet die Richtlinie ausdrücklich die Möglichkeit, jene zukünftig auch in elektronischer Form zu übermitteln, soweit sichergestellt ist, dass die Informationen für den Mitarbeitenden zugänglich sind, gespeichert sowie ausgedruckt werden können und der Arbeitgebende einen Übermittlungs- und Empfangsnachweis enthält. Während der bloße Versand einer E-Mail wohl nicht als Empfangsnachweis ausreicht, können hier insbesondere Systeme zur elektronischen Signatur von Dokumenten (z.B. DocuSign oder Adobe Sign) zukünftig deutlich relevanter werden. Der europäische Gesetzgeber ermöglicht den Mitgliedsstaaten somit die Abkehr von der strengen Schriftform.
Bei etwaigen Verstöße von Arbeitgebenden gegen die reformierten Pflichten sieht die Richtlinie vor, dass Mitarbeitende von für sie günstigen Vermutungsregeln profitieren. Zudem sollen sie Gelegenheit dazu erhalten, bei einer zuständigen Behörde Beschwerde einzureichen, um zeitnah, wirksam und angemessene Abhilfe zu erhalten. Insbesondere sind die Mitgliedsstaaten aber angehalten, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen bei Verstößen von Arbeitgebenden gegen die Nachweispflichten zu regeln, wobei keine konkreten Vorgaben zu Art und Umfang gemacht werden.
Ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales („BMAS“) aus dem Januar 2022 verschafft einen Ausblick auf die Umsetzung der Richtlinie auf nationaler Ebene.
Betreffend die Nachweispflichten wurde die Liste an nachzuweisenden Arbeitsbedingungen in Übereinstimmung mit der Richtlinie im Vergleich zur aktuellen Fassung erweitert. Der Zeitpunkt, zu der die Informationen den Mitarbeitenden, auch im Fall einer Vertragsänderung, vorliegen müssen, wurde für ausgewählte Bedingungen auf eine Woche nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses verkürzt.
Erstaunlicherweise findet sich im Referentenentwurf die in der Richtlinie vorgesehene elektronische Form für den Nachweis nicht wieder. Auf Basis des Referentenentwurfs wird ein Nachweis in elektronischer Form weiterhin ausdrücklich ausgeschlossen, sodass allein eine eigenhändige Unterzeichnung ausreicht, um dem Formerfordernis nachzukommen. Das faktische Schriftformerfordernis für Arbeitsverträge bleibt dadurch erhalten. In Zeiten der Digitalisierung und der Übertragung von analogen Prozessen in die digitale Welt, bleibt hier Flexibilisierungspotential ungenutzt.
Während das Nachweisgesetz selbst bislang keine Sanktionen für Verstöße enthält, sieht der Referentenentwurf nunmehr eine eigene Ordnungswidrigkeit innerhalb des Nachweisgesetzes vor. Demnach kann ein Verstoß gegen die Nachweispflichten, inklusive eines Nachweises in nicht vorgeschriebener Weise, schon bei einem erstmaligen Verstoß mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu EUR 1.000 geahndet werden.
Neben erhöhter Transparenz schafft die Richtlinie durch die elektronische Form des Nachweises grundsätzlich auch mehr Flexibilität für Arbeitgebende beim Abschluss von Arbeitsverträgen und Änderungsvereinbarungen. Der Referentenentwurf des BMAS lässt bislang jedoch nicht erkennen, dass diese Flexibilität auch im deutschen Recht umgesetzt werden soll. Stattdessen sorgt das Risiko der Ordnungswidrigkeit dafür, dass die Relevanz der Schriftform beim Abschluss von Arbeitsverträgen noch erhöht wird.
Es bleibt abzuwarten, ob der Referentenentwurf noch Änderungen erfährt. Sollte dies nicht der Fall sein, werden Arbeitgebende auch in Zukunft kaum umhin kommen, Arbeitsverträge und Änderungen dieser handschriftlich zu signieren. Wendet sich der Gesetzgeber aber doch noch einem Nachweis in elektronischer Form zu, eröffnet dies viele neue Möglichkeiten beim Vertragsschluss. Insbesondere einem digitalen Vertragsmanagement, in dem Papier keine Rolle mehr spielt, ist man dann einen großen Schritt näher.
Verfasst von Dr. Eckard Schwarz, Paul Single und Andrey Belotserkovsky.
Dieser Beitrag ist Bestandteil unserer Beitragsreihe „Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht“, in welcher wir aktuelle arbeitsrechtliche Themen erläutern und Praxishinweise geben. Vorschläge für die dazugehörigen Klauseln finden sich in unserem kürzlich erschienenen Beck’schen Formularbuch Arbeitsrecht, welches von den Arbeitsrechts- Partner*innen von Hogan Lovells bereits in der 4. Auflage herausgegeben wird und in das umfangreiche Know-How unserer Anwält*innen eingeflossen ist.