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Die EU-Umwandlungsrichtlinie führt europaweit einheitliche Regelungen ein, die erstmals den grenzüberschreitenden Formwechsel und die grenzüberschreitende Spaltung zulassen und die Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung reformieren. Die Umwandlungsrichtlinie soll in Deutschland durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie in das nationale Recht implementiert werden. Hierzu hat die Bundesregierung im Juli 2022 den Regierungsentwurf vorgelegt.
Nachdem am 19. bzw. 20. April 2022 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und Bundesministerium für Justiz (BMJ) zwei Referentenentwürfe (RefE) zur Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie vorlegt wurden, hat nunmehr das Bundeskabinett am 6. Juli 2022 den Regierungsentwurf (RegE) zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie („UmRUG“) sowie den RegE zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen („UmRMitbestG“) beschlossen.
Das UmRUG statuiert erstmalig einen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Formwechsel sowie grenzüberschreitende Spaltungen und novelliert das bestehende Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen. Sämtliche grenzüberschreitenden Umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel) werden nunmehr in einem neuen Sechsten Buch des UmwG (§§ 305–345 UmwG-E) geregelt. Das UmRMitbestG führt ein neues Gesetz (MgFSG) zur Umsetzung der Bestimmungen über die Mitbestimmung für den grenzüberschreitenden Formwechsel und die grenzüberschreitende Spaltung ein und passt die bestehenden Bestimmungen des MgVG zur Mitbestimmung bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung an.
Beide Gesetzesentwürfe dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der RL (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. v. 12.12.2019, L 321/1 („Umwandlungsrichtlinie“), die als Teil des sog. "Company Law Package" eines der größten Reformpakete der letzten Jahre im Bereich des europäischen Gesellschaftsrechts darstellen.
Die Umwandlungsrichtlinie ist bis zum 31. Januar 2023 umzusetzen (Art. 3 Abs. 1 UmwRL). Hiermit geht der geplante Zeitpunkt für das Inkrafttreten des UmRUG konform (Art. 17 UmRUG).
Der Anwendungsbereich des UmRUG im Hinblick auf die möglichen beteiligten Gesellschaften entspricht den Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie: Dementsprechend beschränkt sich der Anwendungsbereich nur auf Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 306, 321, 334 UmwG-E. Zwar ist es grundsätzlich bedauerlich, dass der deutsche Gesetzgeber hier keine Öffnung für Personenhandelsgesellschaften vorgesehen hat. Ohne entsprechende vereinheitlichte spiegelbildliche Regelungen im nationalen Umwandlungsrecht der übrigen EU-Staaten hätte eine solche einseitige Ausweitung des Anwendungsbereichs jedoch keinen praktischen Wert gehabt.
Herzstück des Umwandlungsverfahrens nach den Vorgaben des UmRUG bildet die Aufstellung eines notariell zu beurkundenden Umwandlungsplans für sämtliche Umwandlungsvorgänge (§§ 307, 322, 335 UmwG-E), dem die Anteilsinhaber des bzw. der beteiligten Rechtsträger anschließend per Beschluss mit qualifizierter Mehrheit zuzustimmen haben. Im jeweiligen Umwandlungsplan ist die grenzüberschreitende Umwandlung mit den entsprechenden Mindestangaben zu erläutern. Die Mindestangaben umfassen dabei – dem Schutz der Stakeholder-Trias Rechnung tragend – insbesondere die Angaben zu (i) den Sicherheiten, die den Gläubigern angeboten werden, (ii) den Einzelheiten zum Angebot einer Barabfindung für widersprechende Anteilsinhaber sowie (iii) den voraussichtlichen Auswirkungen der grenzüberschreitenden Umwandlung auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer (§ 307 Abs. 2 Nr. 4, 13, 14 UmwG-E, § 322 Abs. 2 i.V.m. § 307 Abs. 2 UmwG-E, § 335 Abs. 2 Nr. 8, 11 und 12 UmwG-E). Der Spaltungs- und Formwechselplan müssen ferner einen indikativen Zeitplan enthalten (§§ 322 Abs. 2 Nr. 1, 335 Abs. 2 Nr. 5 UmwG-E).
Der jeweilige Umwandlungsplan ist einen Monat vor der Versammlung der Anteilsinhaber, die über die Zustimmung beschließen soll, zum Register einzureichen (§§ 308 Abs. 1 Satz 1, 323, 336 UmwG-E). Novum im Rahmen der Bekanntmachung durch das Registergericht ist der zusätzliche Hinweis an die Anteilsinhaber, die Gläubiger sowie den zuständigen Betriebsrat (falls es keinen Betriebsrat gibt, an die Arbeitnehmer), dass diese der Gesellschaft spätestens fünf Arbeitstage vor dem Tag der Versammlung der Anteilsinhaber "Bemerkungen" zum Umwandlungsplan übermitteln können (§§ 308 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 323, 336 UmwG-E).
Der Umwandlungsbericht besteht künftig aus drei Abschnitten (i) einen allgemeinen, (ii) einen anteilsinhaberspezifischen sowie (iii) einen arbeitnehmerspezifischen Abschnitt. Für die beteiligten Rechtsträger besteht ein Wahlrecht zwischen einem einheitlichen Bericht mit den drei Abschnitten oder gesonderte Berichte für die Anteilsinhaber sowie Arbeitnehmer mit jeweils allgemeinen Abschnitten vorangestellt. Der Berichtsteil für die Anteilsinhaber ist nicht erforderlich, wenn an dem Umwandlungsvorgang nur ein Anteilsinhaber beteiligt ist oder wenn alle Anteilsinhaber auf seine Erstattung notariell verzichten (§ 309 Abs. 6 Satz 1 UmwG-E i.V.m. § 8 Abs. 3 UmwG, § 324 Abs. 2 Satz 1 UmwG-E i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 1, 2, 3 Nr. 2, 135 Abs. 3 UmwG, § 337 Abs. 3 Satz 1 UmwG-E i.V.m. § 192 Abs. 2 Satz 1 UmwG). Der Berichtsteil für die Arbeitnehmer ist nicht erforderlich, wenn die betreffende Gesellschaft und ihre etwaigen Tochtergesellschaften keine anderen Arbeitnehmer haben als diejenigen, die dem jeweiligen Vertretungsorgan angehören (§§ 309 Abs. 6 Satz, 324 Abs. 2 Satz 2, 337 Abs. 3 Satz 2 UmwG-E). Der Verschmelzungs-, Spaltungs- bzw. Formwechselbericht ist insgesamt nicht erforderlich, wenn die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit für den anteilsinhaberspezifischen Abschnitt und den arbeitnehmerspezifischen Abschnitt kumuliert erfüllt sind (§§ 309 Abs. 6 Satz 4, 324 Abs. 2 Satz 3, 337 Abs. 3 Satz 3 UmwG-E).
Der einheitliche Umwandlungsbericht ist den Anteilsinhabern und dem zuständigen Betriebsrat (bzw. den Arbeitnehmern, falls kein Betriebsrat besteht) spätestens sechs Wochen vor dem Tag der Versammlung der Anteilsinhaber elektronisch zugänglich zu machen (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 324 Abs. 1, 337 Abs. 1 UmwG-E).
Ein Novum in der deutschen Registerpraxis ist die für alle Umwandlungsvarianten (§§ 316 Abs. 3, 329 Satz 1, 343 Abs. 3 UmwG-E) vorgesehene Missbrauchsprüfung. Für die Eröffnung der Missbrauchsprüfung ist das Vorliegen von Anhaltspunkten zu missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken verlangt. In Anlehnung an die Strafprozessordnung dürfte damit zumindest notwendig sein, dass konkrete Tatsachen für eine gewisse Möglichkeit des Missbrauchs sprechen. Bei Vorliegen solcher Anhaltspunkte prüft das Gericht dann, ob die grenzüberschreitende Umwandlung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich dem Recht der EU oder nationalem Recht zu entziehen, oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll. Sofern für die Prüfung notwendig, kann das Registergericht die Prüfung über den Regelzeitraum von drei Monaten hinaus um weitere drei Monate, d.h. auf insgesamt sechs Monate verlängern. Liegen missbräuchliche Zwecke vor, so lehnt das Registergericht die Eintragung ab.
Vertiefende Ausführungen zum Umwandlungsverfahren nach dem UmRUG anhand des Beispiels des grenzüberschreitenden Formwechsels finden sich in dem folgenden kürzlich erschienen Beitrag der Autoren: Brandi / M.K. Schmidt, Der Betrieb, Heft 32 vom 08.08.2022, S. 1880 ff. – Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG.
Die neuen Regelungen zum Schutz von Anteilseignern, Gläubigern und Arbeitnehmern resultieren in einem recht komplexen und unübersichtlichen Geflecht von Vorlage-, Informations- und Wartefristen. Nachfolgende Übersicht soll diese unterschiedlichen Fristen für die Anmeldung des Heraus-Formwechsels und die dafür relevanten zeitlichen Anknüpfungspunkte gemäß dem UmRUG RegE optisch veranschaulichen:
Grundsätzlich sind die Regierungsentwürfe zum UmRUG und zum UmRMitbestG sehr zu begrüßen. Darin wurden die Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie konzise umgesetzt und kohärent in die bekannte und bewährte Regelungssystematik des UmwG integriert. Erfreulich ist ferner der konzeptionelle strukturelle Gleichlauf der drei Umwandlungsvarianten. Dies erleichtert die Handhabbarkeit der Verfahren für die Praxis. Künftig wird dadurch für deutlich mehr an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gesorgt, was die Anzahl grenzüberschreitender Umwandlungen in Zukunft hoffentlich erhöhen wird.
Ferner sind auch die umfangreichen Regelungen zum Schutze von Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern grundsätzlich angemessen. Allerdings könnten diese Regelungen (wie z.B. die zukünftig erforderliche Missbrauchsprüfung) möglicherweise dazu führen, dass „räuberische“ Stakeholder diese Regelungen für eigene Zwecke nutzen, um eine geplante grenzüberschreitende Umwandlung zu erschweren bzw. in die Länge zu ziehen.
Insgesamt kann allerdings nicht in Abrede gestellt werden, dass die Neuregelungen des UmRUG das Verfahren des grenzüberschreitenden Formwechsels und teilweise für die grenzüberschreitende Verschmelzung komplexer und zeitlich aufwendiger werden lassen. Im Falle akut eilbedürftiger grenzüberschreitender Verschmelzungen bzw. Formwechsel kann es daher gegebenenfalls empfehlenswert sein, die geplante Übergangsvorschrift des § 355 Abs. 1 UmwG-E zu nutzen und bereits im laufenden Jahr 2022 das Verfahren für eine grenzüberschreitende Umwandlung so zeitnah einzuleiten, dass diese im Jahr 2023 noch nach dem derzeit geltenden Regelungsregime umgesetzt werden kann.
Verfasst von Dr. Tim Oliver Brandi, LL.M. (Columbia) und Dr. Mike Karl Schmidt