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Bestimmte Güter, Materialien, Software und Technologien können sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden. Solche sogenannten „Dual-Use-Güter“ (oder „Güter mit doppeltem Verwendungszweck“) unterliegen dem Exportkontrollregime der Europäischen Union. Hintergrund dieses Regimes ist, dass die EU-Mitgliedstaaten durch internationale Vereinbarungen verpflichtet sind, Maßnahmen auf nationaler Ebene einzuführen, um die Verbreitung nuklearer, chemischer sowie biologischer Waffen (einschließlich ihrer Trägersysteme) zu verhindern.
Die bestehende Verordnung (EG) Nr. 428/2009 („Dual-Use-Verordnung“) gilt bereits seit 2009. Damit war es nun an der Zeit, sie an neue Realitäten aufgrund veränderter technologischer, wirtschaftlicher und politischer Bedingungen anzupassen:
Die Delegierte Verordnung (EU) 2020/1749 beinhaltet vor allem ein Update des Anhang I der aktuellen Dual-Use-Verordnung. Diesem Anhang I, dem die aktuell einheitlich vereinbarten Güter mit doppeltem Verwendungszweck entnommen werden, für die bei Ausfuhren aus dem Unionsgebiet eine Genehmigungspflicht besteht (sogenannte „Güterliste“). Im Zeitraum zwischen 2019 und Ende Februar 2020 wurden die Kontrolllisten geändert, die im Rahmen der internationalen Nichtverbreitungsregime und der Ausfuhrkontrollvereinbarungen angenommenen wurden (ungeachtet gegebenenfalls weiterreichender nationaler Kontrollen). Daher musste auch die Güterliste der Dual-Use-Verordnung angepasst werden. Änderungen gab es beispielsweise in den folgenden Kategorien:
Während die Änderungen aus praktischer Sicht auf den ersten Blick nicht sehr weitreichend erscheinen mögen, ist es für betroffene exportierende Unternehmen trotzdem zwingend geboten, die Anpassungen mit ihrem Warenangebot abzugleichen und darauf mit den gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen zu reagieren.
Die vorläufige Einigung zur Neufassung der Dual-Use-Verordnung enthält unter anderem folgende wichtige Kernelemente:
Die Definition von Dual-Use-Gütern wird überarbeitet, um dem Aufkommen neuer Arten von Gütern Rechnung zu tragen, zum Beispiel Technologien zur Cyber-Überwachung. Weiterhin sollen unter den Begriff des Ausführers künftig auch natürliche Personen fallen, insbesondere solche, die im Bereich von Technologietransfer beteiligt sind (zum Beispiel Forscher, die Software mit doppeltem Verwendungszweck außerhalb des Zollgebiets der EU zur Verfügung stellen).
Auf die fortschreitende Verbreitung von Cyber-Überwachungstechnologien, in deren Missbrauch ein Risiko für die internationale und europäische Sicherheit, dem Schutz der Menschenrechte und der digitalen Freiheiten in einer global vernetzen Welt gesehen wird, möchte die EU mit weiteren Regelungen reagieren. Dazu wird eine Liste spezifischer Cyber-Überwachungstechnologien mit detaillierten technischen Parametern eingeführt, die der Kontrolle unterliegen sollen. Die Ausfuhr dieser Technologien soll genehmigungspflichtig werden, wenn der Ausführer darüber Kenntnis erlangt oder von der zuständigen Behörde darüber informiert wird, dass das entsprechende Produkt für eine Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression und/oder schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen bestimmt sein sollen oder können. Dazu möchte die EU Kommission noch Leitlinien veröffentlichen. In diesem Zusammenhang sind auch die nationalen Zollbehörden und EU-Mitgliedstaaten zu informieren, letztere können innerhalb von 30 Werktagen sämtliche Informationen prüfen und Einwände gegen den Export vorbringen. Gerade dieser neue Mechanismus wird von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisiert und als schlechter und verwässernder Kompromiss bezeichnet. Denn jeder einzelne Mitgliedstaat kann dadurch verhindern, dass das betreffende Produkt auf die sogenannte „EU Watch List“ kommt.
Zur Stärkung des gemeinsamen Ausfuhrkontrollnetzes soll die Zusammenarbeit der nationalen Behörden und der EU bei der Umsetzung und Durchsetzung gestärkt werden (zum Beispiel durch die Einführung elektronischer Genehmigungssysteme und die Einrichtung von „technischen Expertengruppen“ mit Mitgliedern aus Industrie und Regierung). Ergänzend sollen die Genehmigungsbedingungen und -parameter EU-weit harmonisiert und erweitert werden, um Abweichungen innerhalb des Binnenmarkts zu vermeiden (zum Beispiel Gültigkeitsdauer und Transparenz bei Genehmigungen).
Außerdem soll die Einführung einer besonderen umfassenden Genehmigung für bestimmte mehrjährige Großprojekte („large scale projects“, zum Beispiel für den Bau eines Kernkraftwerks) sowie von vier neuen Allgemeinen Ausfuhrgenehmigungen („EUGEA“) die Prozesse optimieren und den Handel erleichtern. Bei diesen EUGEA geht es um:
Vor allem der letzte Punkt dürfte für Unternehmen interessant werden. Denn der Entwurf sieht in diesem Zusammenhang außerdem vor, dass in allen Mitgliedstaaten Standardanforderungen für sogenannte „Internal Compliance Programmes“ („ICP“) geschaffen werden. Hier soll es auch Erleichterungen für kleinere und mittlere Unternehmen geben. In Deutschland gibt es dazu bereits jetzt das „Merkblatt zur Firmeninternen Exportkontrolle (ICP)“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es bleibt abzuwarten, ob der Entwurf der Verordnung auch insoweit Änderungen nach sich ziehen wird.
Der Anwendungsbereich der Dual-Use-Verordnung soll künftig um den Begriff der „technischen Unterstützung“ erweitert und damit EU-weit harmonisiert werden. Technische Unterstützung soll dann jede technische Hilfe im Zusammenhang mit Reparaturen, Entwicklung, Herstellung, Montage, Prüfung, Wartung oder einer anderen technischen Dienstleistung sein. Sie kann in Form von Anleitung, Beratung, Schulung, Weitergabe von praktischen Kenntnissen oder Fertigkeiten oder Beratungsleistungen, auch auf elektronischem Wege, sowie per Telefon oder durch andere Formen der verbalen Unterstützung erfolgen. Eine Genehmigung für die Erbringung von technischer Unterstützung soll im Zusammenhang mit der Güterliste erforderlich sein, wenn der Erbringer der technischen Unterstützung von der zuständigen Behörde darüber informiert wurde, dass die betreffenden Güter ganz oder teilweise für einen doppelten Verwendungszweck bestimmt sind oder bestimmt sein können. Wichtig ist, dass diese Genehmigungspflicht nur auf ausdrücklich gelistete Güter beschränkt sein soll.
Wesentliche Neuerungen sind außerdem:
Voraussichtlich wird die neue Dual-Use-Verordnung im 3. Quartal 2021 in Kraft treten. Nach der am 25. März 2021 erfolgten Zustimmung durch das Europäische Parlament, bestätigte nun auch der Rat in seiner dritten Lesung am 10. Mai 2021 den Entwurf formal. Nun steht nur noch die Veröffentlichung des Texts der neuen Dual-Use-Verordnung im Amtsblatt der EU aus. 90 Tage nach der Veröffentlichung wird sie dann in Kraft treten. Nach derzeitigem Stand scheint ein Inkrafttreten im August 2021 wahrscheinlich. Daher sollten sich Unternehmen bereits jetzt mit den geplanten Neuerungen auseinandersetzen.
Gerade bei dem neuen Mechanismus für menschenrechtlich problematische Güter (Stichwort „EU-Watch List“) bleibt abzuwarten, wie schnell hier auf immer wieder neu entstehende Technologien reagiert wird bzw. reagiert werden kann und wie konkret zugehörige Leitlinien ausfallen werden. Jedenfalls wird den Unternehmen hier wohl keine umfassende Pflicht dahingehend aufgebürdet, geplante Exporte selbst darauf zu überprüfen, ob sie unter Umständen zu Menschenrechtsverletzungen führen können.
Geschrieben von Dr. Patrick Ayad, Sebastian Schnell und Susanne Schuster.