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Influencer, die von Unternehmen kostenlos Waren bzw. Dienstleistungen erhalten und diese anschließend auf ihrem Social-Media-Kanal verlinken, beispielsweise durch das Setzen eines „Tap Tags“, haben die Beiträge grundsätzlich als Werbung zu kennzeichnen. Dies entschied der BGH in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Az. I ZR 35/21).
Die Klägerin, ein Wettbewerbsverband, mahnte die beklagte Influencerin erstmals im Juli 2018 ab, da sie bei Instagram auf Fotos Unternehmen markiert hatte, ohne die Beiträge als Werbung zu kennzeichnen. Sobald man auf das Bild geklickt hatte, wurden die Namen der mittels „Tap Tag“ markierten Unternehmen sichtbar, welche die von der Influencerin getragenen Accessoires und Kleidungsstücke herstellen. Beim Anklicken der „Tap Tags“ wurde der Nutzer auf die Profilseite des Unternehmens geführt. Infolge der Abmahnung gab die Influencerin gegenüber der Klägerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab.
Im Oktober 2019 wurden auf dem Instagram-Account der Influencerin erneut drei Posts veröffentlicht, die mit entsprechenden „Tap Tags“ versehen waren. Teilweise wurden die verlinkten Produkte der Influencerin kostenlos zur Verfügung gestellt; teilweise hatte die Influencerin die Produkte mit eigenen Mitteln erworben.
Nach Auffassung der Klägerin lag hierin ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Influencerin. Die Klägerin forderte diese daher zur Zahlung einer Vertragsstrafe sowie zur erneuten Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Die Influencerin kam dem jedoch nur zum Teil nach. Die Klägerin reichte daraufhin Klage beim LG Köln ein. Sowohl das LG Köln als auch das mit der Berufung angerufene OLG Köln gaben der Klage statt.
Im Ergebnis bestätigt der BGH weitestgehend die Entscheidung des Berufungsgerichts.
Zunächst wiederholt der BGH die Grundsätze aus seinen vorherigen Influencer-Entscheidungen und kommt zu dem Ergebnis, dass die Influencerin durch die streitgegenständlichen Instagram-Beiträge sowohl zugunsten des eigenen Unternehmens als auch zugunsten der fremden Unternehmen geschäftlich gehandelt habe (vgl. unseren Beitrag zu der Entscheidung).
Der BGH differenziert entsprechend seiner in diesen Entscheidungen geäußerten Auffassung bei der Bewertung der Unlauterkeit der geschäftlichen Handlungen zwischen Handlungen zugunsten des eigenen und zugunsten fremder Unternehmen, wobei er letztere konkretisiert.
Zur Erinnerung: Mit Blick auf geschäftliche Handlungen zugunsten fremder Unternehmen hatte der BGH entschieden, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV, die jeweils für das Vorliegen von „kommerzieller Kommunikation“ bzw. „Werbung“ eine Gegenleistung verlangen, als bereichsspezifische Spezialvorschriften den Anwendungsbereich der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Bestimmung des § 5a Abs. 6 UWG einschränkten. Liege keine Gegenleistung vor, komme ein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG nicht in Betracht (vgl. unseren Beitrag zur Influencer-Rechtsprechung).
Entsprechend dieser Rechtsprechung sei ein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG auch im vorliegenden Fall bezüglich der selbst erworbenen Produkte abzulehnen.
Anders sei dies jedoch mit Blick auf kostenlos zur Verfügung gestellte Produkte zu bewerten, die als „Gegenleistung“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV anzusehen seien. Der Zweck der Spezialvorschriften, versteckte Werbung zu verhindern, werde nur erreicht, wenn jeder geldwerte Vorteil – vorliegend also auch das kostenlose Zurverfügungstellen von Produkten – als Gegenleistung verstanden werde. Die Produktbereitstellung habe die betreffenden Instagram-Beiträge gerade initiiert, was von den Unternehmen auch beabsichtigt gewesen sei. Auf den konkreten Wert der zur Verfügung gestellten Produkte komme es demgegenüber nicht an, da ein wertmäßiger Mindestbetrag nicht vorgesehen sei.
Mit dem Urteil hat der BGH seine noch junge Rechtsprechung zum Thema Influencer-/Social-Media-Marketing weiter gefestigt. Auch wenn die Entscheidung keine allzu große Überraschung darstellt, sorgt die Klarstellung, dass auch die Bewerbung von kostenlos zur Verfügung gestellten Produkten eine kennzeichnungspflichtige kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung darstellen kann, für mehr Rechtssicherheit in der Praxis. Der BGH liegt mit diesem Urteil auch auf einer Linie mit dem EuGH. Dieser hatte kürzlich entschieden, dass eine Veröffentlichung i. S. d. Nr. 11 S. 1 des Anh. I der RL 2005/29 „bezahlt“ sei, soweit eine geldwerte Gegenleistung erbracht werde. Diese liege nicht nur bei Zahlung eines Geldbetrags, sondern auch bei jeder anderen Form der Zuwendung, vor, wenn ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der gewährten Zuwendung und einer Veröffentlichung bestehe.
Verfasst von: Yvonne Draheim, Sabrina Mittelstädt