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Mit der Erweiterung der Wegzugsbesteuerung auf (Spezial-)Investmentanteile für Wegzüge nach dem 31. Dezember 2024 könnte künftig eine Vielzahl von Steuerpflichtigen bei einem Wegzug aus Deutschland der Besteuerung bisher nicht realisierter stiller Reserven unterliegen. Künftig sollen auch Anteile an Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds von der Wegzugsbesteuerung erfasst werden. Dies könnte für Anleger, die ihren Wohnsitz in das Ausland verlegen wollen, teuer werden. Steuerpflichtige sollten ihre Fondsstrukturen rechtzeitig überprüfen und mögliche steuerliche Folgen bei einem geplanten Wegzug genau abwägen.
Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 hat am 18. Oktober 2024 den Bundestag passiert und soll im November im Bundesrat verabschiedet werden. Der Gesetzentwurf beinhaltet mit der Erweiterung der Wegzugsbesteuerung auf (Spezial-)Investmentanteile eine brisante Neuerung.
Bislang galt, dass Investmentanteile keine Anteile im Sinne des § 17 EStG sind und daher nicht der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG unterliegen.
Das InvStG soll nunmehr um Regelungen ergänzt werden, die an die in § 6 AStG geregelte Wegzugsbesteuerung angelehnt sind.
Hält ein Steuerpflichtiger Anteile an Investmentfonds im Privatvermögen, sollen bei seinem Wegzug aus Deutschland die in dem Investmentanteil ruhenden stillen Reserven der Besteuerung unterliegen. Voraussetzung für die Besteuerung des Wegzugs ist, dass der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wegzug (unmittelbar oder mittelbar) mindestens 1 % der ausgegebenen Investmentanteile gehalten hat oder die Anschaffungskosten für den relevanten Investmentanteil mindestens EUR 500.000 betragen. Dies ist je Anlageprodukt (was insbesondere im Hinblick auf ETFs relevant ist) zu beurteilen. Der Gesetzgeber möchte mit diesem Schwellenwert lediglich solche Fälle erfassen, die so gewichtig sind, dass sie mit den Fällen des § 17 EStG vergleichbar erscheinen.
Die Wegzugsbesteuerung führt dann zu einer Besteuerung von sog. „dry income“, da es an einer Liquidität schaffenden Veräußerungshandlung gerade fehlt.
Entsprechendes soll auch für Spezial-Investmentanteile gelten, wobei hier jedoch gerade keine Wesentlichkeitsschwelle Anwendung finden soll. Bei Beteiligungen von Privatanlegern an Spezial-Investmentfonds wird vielmehr generell unterstellt, dass ein relevanter Beteiligungsumfang vorliegt.
Die Anwendung der Neuregelung hängt nicht davon ab, ob es sich um eine Beteiligung an einem inländischen oder ausländischen Fonds handelt oder die Anteile in einem inländischen oder ausländischen Depot verwahrt werden.
Die Neuregelung soll erstmals für Wegzüge nach dem 31. Dezember 2024 Anwendung finden.
Die Regelungen des § 6 Abs. 2 bis 5 AStG zur Stundung des Steueranspruchs sowie zur Rückkehr in die unbeschränkte Steuerpflicht sollen auch im Rahmen der Wegzugsbesteuerung von Wertsteigerungen aus (Spezial-)Investmentanteilen entsprechende Anwendung finden.
Die Gesetzesänderung wurde durch den Bundesrat angestoßen und geht auf Mitteilungen von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen nach §§ 138d ff. AO („DAC 6“) zurück. Es dürfte der erste oder zumindest der bisher prominenteste Fall sein, in dem der Gesetzgeber nach Auswertung von DAC 6-Meldungen im Wege der Gestaltungsprävention tätig wird.
Der Gesetzgeber möchte insbesondere Gestaltungen unterbinden, in denen Anleger eigene Investmentfonds auflegen, um hierüber Anteile an Kapitalgesellschaften zu erwerben und etwaige Wertsteigerungen bei einem Wegzug steuerfrei mitzunehmen. Ferner sei bekannt, dass in der Praxis Anteile an Start-ups zu einem frühen Zeitpunkt in Investmentfonds eingelegt würden, um bei einem späteren Wegzug ins Ausland die Besteuerung von Wertsteigerungen zu vermeiden.
Es hat nicht lange gedauert, bis Kritik an der Neuregelung laut wurde. Insbesondere die Anwendung ab EUR 500.000 Anschaffungskosten je Anlageprodukt ist zu bemängeln. In der praktischen Anwendung wird diese Grenze zu einer deutlich überschießenden Wirkung der Neuregelung gemessen an dem eigentlichen gesetzgeberischen Anliegen führen.
Die neue Regelung lässt sich als Signal begreifen, dass der Gesetzgeber aktiv gegen Steuerumgehungsgestaltungen vorgehen will. Allerdings ist festzuhalten, dass die Ausweitung der Wegzugsbesteuerung überschießende Wirkung entfaltet und wahrscheinlich auch auf solche Fälle anwendbar sein wird, die sich nicht als Umgehung auffassen lassen.
Insbesondere aufgrund der beträchtlichen Wertzuwächse an den Börsen im vergangenen Jahrzehnt sollten Anleger im Hinblick auf die Neuregelung aufhorchen. In vielen Fondsbeteiligungen dürften erhebliche Wertzuwächse schlummern – stille Reserven, die bisher bei einem Wegzug nicht der Besteuerung unterlegen hätten.
Aber auch Investoren von (jungen) Unternehmen, die von der genannten Gestaltung Gebrauch gemacht und ihre Unternehmensanteile in Investmentfonds eingelegt haben, könnten von der Neuregelung negativ betroffen sein.
Steuerpflichtige sollten vor dem Hintergrund der Änderungen bei einem geplanten Wegzug in das Ausland unbedingt ihre steuerliche Ausgangslage und mögliche Implikationen durch die Neuregelung prüfen lassen.
Authored by Vanessa Rinus, and Heiko Gemmel.