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Das Einheitspatent und das Einheitliche Patentgericht (Unified Patent Court, UPC) bilden gemeinsam ein neues, einheitliches europäischen Patentsystem. In diesem neuen System werden Einheitspatente neben „klassischen“ Europäischen Patenten (EPs, „Bündelpatente“) und nationalen Patenten eine weitere Möglichkeit bieten, um in den teilnehmenden Staaten einheitlichen Patentschutz zu erlangen. Das Einheitspatent ist ein „Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“. Es verleiht Schutz im gesamten Hoheitsgebiet der teilnehmenden Mitgliedsstaaten [1]. Das Einheitliche Patentgericht wird ein gemeinsames Gericht aller teilnehmenden Mitgliedsstaaten sein und wird insbesondere zuständig sein für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung und ergänzenden Schutzzertifikate.
Für nationale Patente ist das UPC dagegen nicht zuständig. Das UPC wird ein einheitliches Gericht sein, dessen Urteile in allen teilnehmenden Staaten unmittelbare Wirkung entfalten werden. Vor dem UPC wird in einem einzigen Verfahren sowohl über die Verletzung als auch den Rechtsbestand des jeweiligen Klagepatents entschieden. Das UPC ist dezentral organisiert und wird in Deutschland mit vier Standorten vertreten sein (Düsseldorf, Hamburg, Mannheim und München).
Es wird erwartet, dass das UPC-Übereinkommen in der zweiten Jahreshälfte (2022) in Kraft treten wird. Mit Inkrafttreten des Übereinkommens können Patente mit einheitlicher Wirkung angemeldet werden. Europäische (EP) Patentanmeldungen, die bereits anhängig sind, können in Einheitspatente umgewandelt werden. Auch bereits erteilte Europäische Patente (EPs) werden der Zuständigkeit des UPC unterfallen, sofern kein „Opt-out“ erklärt wird.
Für eine Übergangszeit wird Patentinhabern und -anmeldern die Möglichkeit eingeräumt, „klassische“ Europäische Patente (EPs) der Gerichtsbarkeit des UPC zu entziehen („Opt-out“). Zukünftig werden nationale Gerichte nur noch für nationale Patente und „klassische“ Europäische Patente (EPs) zuständig sein, für die der Inhaber/Anmelder den „Opt-out“ erklärt haben. Solange in keinem teilnehmenden Staat ein nationales Nichtigkeitsverfahren eingeleitet wurde, kann der Inhaber/Anmelder den „Opt-out“ noch widerrufen. Das betreffende Patent unterfällt dann wiederum dem Einheitspatentsystem. Ein „Opt-out“ ist dagegen nicht mehr möglich, sobald eine Klage am UPC anhängig ist. Um sicherzustellen, dass Patentinhaber/-anmelder zunächst die Möglichkeit zum „Opt-out“ behalten (bevor z.B. eine Nichtigkeitsklage vor dem UPC erhoben wird), kann der „Opt-out“ während einer sog. „Sunrise-Period“ erklärt werden, die drei Monate vor dem offiziellen Start des Einheitspatentgerichtssystems in Kraft treten wird (voraussichtlich im Sommer 2022).
Mit dem neuen Einheitspatentsystem bietet sich Ihnen eine zusätzliche Möglichkeit, Ihr Geistiges Eigentum zu schützen und durchzusetzen. Ob Sie sich für die neue Schutzform entscheiden oder weiterhin „klassische“ Europäische Patente oder nationale Patente wählen, ist eine Frage Ihrer Patentstrategie. Natürlich können Sie je nach Patent oder Patentfamilie unterschiedliche Strategien verfolgen.
Vieles spricht für das Einheitspatent. Sofern Patentschutz in mehreren teilnehmenden Mitgliedsstaaten angestrebt wird, dürfte ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem Bündelpatent in den (je nach Schutzumfang) geringeren Kosten bestehen. Der Kostenvorteil gegenüber dem Bündelpatent wird umso größer, je höher die Anzahl der Länder ist, in denen es validiert worden wäre. Darüber hinaus werden Übersetzungserfordernisse weitgehend entfallen.
Rechtsübergänge oder Lizenzen müssen nicht für jedes Land einzeln in den nationalen Patentregistern eingetragen werden, sondern werden zentral vom EPA behandelt.
Auf der Ebene der Streitverfahren besteht der wesentliche Vorteil des neuen Einheitspatents in der grenzüberschreitenden Durchsetzung. Grenzüberschreitende Patentverletzungen können einfacher und schneller verfolgt werden.
Umgekehrt bedeutet dies allerdings, dass ein Einheitspatent durch ein einziges Nichtigkeitsverfahren für das Gebiet sämtlicher teilnehmenden Mitgliedsstaaten zu Fall gebracht werden kann. Für den Patentinhaber ergibt sich also auch ein erhöhtes Risiko im Vergleich zum bisherigen System, in dem die nationalen Teile des Bündelpatents unabhängig voneinander behandelt werden.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine neue Gerichtsbarkeit handelt, für die noch keine Rechtsprechung etabliert ist. Entscheidungen lassen sich folglich weniger verlässlich vorhersagen. Auch mögen Entscheidungen – jedenfalls zu Beginn des Systems – noch durch den jeweiligen nationalen Hintergrund der jeweiligen Richter*innen geprägt sein, bevor sich ein einheitlicheres Bild ergibt. Dies mag insbesondere für die Frage gelten, inwieweit vor dem UPC der vor allem in Deutschland geläufige und als „patentinhaberfreundlich“ bekannte Ansatz der separaten Entscheidung über den Rechtsbestand („Bifurcation“) zur Anwendung kommt.
Verfasst von Miriam Gundt.