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Das Kaufrecht-Update zum Jahresbeginn – Die Update-Pflichten nach §§ 475 b, c BGB

In Umsetzung der Warenverkaufsrichtlinie (Richtlinie 2019/771/EU vom 20. Mai 2019, „WKRL“) sowie der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (Richtlinie 2019/770 (EU), „DIDRL“) erhalten insbesondere digitale Produkte sowie Sachen mit digitalen Elementen (Stichwort: Internet of Things) ihren Platz im Normgefüge des deutschen Schuld- und vor allem des Kaufrechts. In diesem Beitrag behandeln wir insbesondere die neu etablierten Aktualisierungspflichten in diesem Zusammenhang.

In Umsetzung der Warenverkaufsrichtlinie (Richtlinie 2019/771/EU vom 20. Mai 2019, „WKRL“) sowie der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (Richtlinie 2019/770 (EU), „DIDRL“) trat am 1. Januar 2022 eine umfangreiche Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches („BGB“) in Kraft, die auf alle nach diesem Datum geschlossenen Verträge Anwendung findet.

Dabei erhalten insbesondere digitale Produkte sowie Sachen mit digitalen Elementen (Stichwort: Internet of Things) ihren Platz im Normgefüge des deutschen Schuld- und vor allem des Kaufrechts.

Wir haben dazu bereits in unseren Beiträgen: "Neues (digitales) Kaufrecht“ und „Digitalisierung im Verbraucherrecht (Teil 2)" sowie "Änderungen im BGB ab 1. Januar 2022: Neues Vertragsrecht" ausgeführt.

Im Fokus dieses Beitrages stehen wie im letzten Beitrag angekündigt, wesentliche Regelungen der neu eingeführten Aktualisierungspflicht für digitale Produkte und Waren mit digitalen Elementen sowie deren Auswirkungen für die Praxis.

Hintergrund

Im Juni 2021 beschloss der Bundestag das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ zur Umsetzung der europäischen Warenverkaufsrichtlinie (Richtlinie 2019/771/EU vom 20. Mai 2019, „WKRL“). Zeitgleich wurde dabei die Digitale-Inhalte-Richtlinie (Richtlinie 2019/770/EU vom 26.11.2019, „DIDRL“) durch das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ ins nationale Recht eingeführt, über deren nationale Umsetzung wir bereits berichteten.

Die Umsetzung der WKRL veranlasst wesentliche Veränderungen im Kaufrecht beim Kauf von Sachen mit digitalen Elementen, während die DIDRL schwerpunktmäßig zu Gesetzesnovellierungen im allgemeinen Schuldrecht für digitale B2C Verträge im Zusammenhang mit der Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (zusammen: digitale Produkte) nach §§ 327 ff. BGB n.F. führte.

In der Praxis erfassen insbesondere die kaufrechtlichen Veränderungen eine große Bandbreite von Produkten, angefangen von Kraftfahrzeugen über Maschinen bis hin zu Smartwatches und vernetzten Lautsprechern. Schätzungsweise 156.000 handelsbetreibende Unternehmen mit Sitz in Deutschland betreffen dabei vor allem die neuen Aktualisierungspflichten (vgl. RegE_Warenkaufrichtlinie.pdf (bmj.de), S. 14 f., die zu einer grundsätzlichen Neubewertung des Anforderungsprofils der Sachmangelfreiheit (§ 475b Absatz 2 BGB n.F.) führen.

Bedeutung und Umfang der Aktualisierungs- und Informationspflichten

Die größte Neuerung betrifft neben weiteren Änderungen die Einführung einer neue Hauptleistungspflicht des Unternehmers: Er erfüllt seine Pflicht zur Leistung eines mangelfreien Kaufproduktes nur dann, wenn er für einen bestimmten Zeitraum nach Übergabe des Produktes mit digitalen Elementen auch die entsprechenden Aktualisierungen vornimmt. Die Pflicht zur mangelfreien Lieferung verliert damit ihre grundsätzlich sehr enge Bindung an den Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 BGB). Gänzlich neu ist, dass eine zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ursprünglich mangelfreie Kaufsache nachträglich – durch das Unterlassen von Aktualisierungen – mangelhaft werden kann.

Nach bisheriger Rechtslage war das zumindest dann nicht der Fall, wenn die Notwendigkeit eines Updates erst nach Gefahrenübergang eintrat (vgl. RegE_Warenkaufrichtlinie.pdf (bmj.de), S. 32). Die mit der Neuerung einhergehende Ausdehnung der Leistungspflicht des Unternehmers wird damit begründet, dass „Sachen mit digitalen Elementen im Gegensatz zu herkömmlichen Sachen auch nach Lieferung nicht vollständig außerhalb der Sphäre des Unternehmers [sind]“ (RegE_Warenkaufrichtlinie.pdf (bmj.de), S. 32).

Technischer Fortschritt veranlasst weitergehende Einwirkungsmöglichkeiten des Unternehmers auf die Geräte des Verbrauchers, die nach den Vorgaben des Unionsgesetzgeber zu ebenso weitergehenden Einwirkungspflichten führen. Bei den "Aktualisierungen“ handelt es sich insbesondere um Versionswechsel der Software. Zu performancesteigernden Updates sind Unternehmer auch weiterhin nicht verpflichtet, sie erfolgen daher allenfalls aus Kulanz.

Konkret bezeichnet die Aktualisierung dabei die Instandhaltung des Geräts sowie das Gewährleisten adäquater Sicherheitsstandards. Wegweisend können hierbei unter anderem die in dem europäischen Standard EN 303 645 für vernetze Smart Home Devices festgelegten Bestimmungen sein.

Den Unternehmer trifft zudem in der Regel eine Pflicht, dem Verbraucher die Aktualisierungen „bereitzustellen“ (§ 475b Absatz 3 und Absatz 4 BGB n.F.). Dieses „Bereitstellen“ erfordert, dass die Aktualisierungen selbst, der Zugang zu ihr oder das Herunterladen dem Verbraucher „unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht wird“ (RegE_Warenkaufrichtlinie.pdf (bmj.de), S. 32). Dabei kommt es entscheidend auf eine eigenständige Zugriffsmöglichkeit an. Eine Aktualisierung ohne Zustimmung des Nutzers ist nicht vorgesehen.

Eine weitere Pflicht des Unternehmers ist es in der Regel, den Verbraucher über die bereitgestellten Aktualisierungen „zu informieren“. Durch diese Informationspflicht erfährt der Verbraucher eine vollumfängliche Absicherung seines „Rechts auf Aktualisierung“. Der Unternehmer soll den Verbraucher auf die Installation, die Nutzung sowie die Zurückweisungsmöglichkeit und die damit verbundenen Folgen (insbesondere die Haftungsbefreiung des Unternehmers, vgl. § 475b Absatz 5  Nr. 1 BGB n.F.) hinweisen. Wie diese Informationstätigkeit auszugestalten ist, lässt der Gesetzgeber offen. Denkbar sind Hinweise im Online-Shop, durch den Newsletter oder mittels Push-Benachrichtigungen.

Sowohl dem Breitstellen als auch dem Informieren kann der Unternehmer auch im Wege Dritter, wie insbesondere unter Heranziehung des Herstellers nachkommen (RegE_Warenkaufrichtlinie.pdf (bmj.de), S. 33).

Soweit es um Waren mit digitalen Elementen geht, bei denen eine dauerhafte Bereitstellung über einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum erfolgt, begründet § 475c Absatz  2  BGB n.F. eine neue Pflicht des Unternehmers, die Ware über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren kontinuierlich in aktualisierter Form bereitzustellen (§ 475c Absatz  2 BGB n.F.). Dieser Sondertatbestand betrifft Anwendungsfälle wie unter anderem Verkehrsdaten für ein Navigationssystem oder die Cloud-Infrastruktur von Smartgeräten.

Abweichende Vertragsvereinbarungen sind dabei zulässig, soweit die dafür anfallenden Formerfordernisse (§  476 Absatz  1 Satz  2 BGB) eingehalten werden: Dies kann dadurch geschehen, dass der Verbraucher von der konkreten Abweichung eigens in Kenntnis gesetzt wird und dass diese Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart wird (§ 476 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB n.F.).

Herausforderungen und Ausblick

Insgesamt birgt diese Aktualisierungspflicht zwei wesentliche Herausforderungen:

Zum einen ist Schuldner der Aktualisierungspflicht der Unternehmer des Verbrauchsgüterkaufvertrags nach § 475a BGB. Dieser ist in der Praxis jedoch regelmäßig nicht Hersteller der digitalen Elemente, sondern ein (u.U. nicht markenbezogener) Händler, der nicht zwangsläufig vertragliche oder ähnliche Nähebeziehungen zum Hersteller des Kaufgegenstands unterhält, nunmehr aber von dessen Mitwirkung abhängig ist.

Zum anderen ist der Zeitraum der Aktualisierungspflicht gesetzlich bewusst nicht näher bestimmt. In objektiver Hinsicht stellt das Gesetz auf diejenige Verbrauchererwartung ab, die „aufgrund der Art und des Zwecks der Warte und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags“ erwartet werden kann (§ 475b Absatz 4 BGB n.F.). Diese Unbestimmtheit schafft einen gewissen Dauertatbestand der Aktualisierungsverpflichtung, der je nach Produktart zeitlich beachtlich variieren kann. Kriterien, die bei der Bestimmung berechtigter Erwartungen für die Dauer der Aktualisierungspflicht insbesondere eine Rolle spielen könnten, sind dabei: Werbeaussagen, die Verarbeitung des Produkts, der Preis, der life-cycle sowie der Umstand, ob das Produkt auf dem Markt weiterhin vertrieben wird. Insoweit wird Raum für eine umfassende zu etablierende Kasuistik in der Rechtsprechung eröffnet.

Dieser Herausforderung knüpft zudem ein verjährungsrechtliches Folgeproblem an: Denn erst mit Ende der Aktualisierung wird die 12-monatige Ablaufhemmung in Gang gesetzt (§ 475e BGB n.F.). Überlegenswert scheint es damit für Unternehmer, den Zeitraum der Aktualisierungspflicht im Rahmen der Vertragsvereinbarung konkret festzulegen.

Es bleibt daher festzuhalten, dass der (unionsrechtliche) Gesetzgeber darauf abzielte, die fortschreitende Digitalisierung im Wirtschaftsleben umfassend verbraucherfreundlich umzusetzen. Insbesondere mit den Aktualisierungspflichten wird dem Verbraucher zu einer besseren und langlebigeren Produktnutzung verholfen. Zugleich sehen sich Unternehmen dabei neuen Pflichten ausgesetzt, die entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen wie Vereinbarungen mit dem Hersteller und abweichenden vertraglichen Vereinbarungen voraussetzen um mögliche Inanspruchnahmen möglichst zu vermeiden.

 

 

Verfasst von Nicole Böck und  Johannes Reinsberg.

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