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Bei der Beschaffung von grünem Wasserstoff geht die Bundesregierung einen neuen Weg – Investitionssicherheit über einen privaten Intermediär. Für Projektentwickler, -betreiber und Investoren ergeben sich Chancen und die Hoffnung auf ein europäisches Pendant.
Nach der nationalen Wasserstoffstrategie und dem Koalitionsvertrag kommt Wasserstoff bei der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft eine zentrale Rolle zu. Erklärtes Ziel ist es, die Erzeugung von Wasserstoff durch Umstellung der Produktion auf erneuerbare Energien wie Wind und Solar nachhaltig zu machen (sog. grüner Wasserstoff). Prognostiziert wird bis 2030 ein nationaler Wasserstoffbedarf von ca. 90 bis 110 TWh. Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, wird ein schneller Markthochlauf einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft angestrebt. Neben bekannten Förderinstrumenten, wie dem Handel mit CO2-Zertifikaten, geht die Bundesregierung dabei einen bislang in dieser Form unbekannten Weg über einen privaten Marktintermediär – sie schafft einen Marktteilnehmer.
Entwicklung und Realisierung von Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff erfordern umfangreiche Investitionen. Ein Anwendungsfall ist die Umwandlung von elektrischer Energie unmittelbar in Wasserstoff mittels eines Elektrolyseurs. Diese Technologie ist seit vielen Jahren im kW bzw. niedrigen Megawatt-Bereich erprobt, allerdings fehlen bislang Anwendungsfelder im industriellen Maßstab. Hierfür braucht es einen Technologieschub und einen zügigen Markthochlauf. Entsprechende Investitionen werden üblicherweise durch langfristige Abnahmeverträge abgesichert und refinanziert. Anders als in bekannten Technologien steht der Markt für grünen Wasserstoff jedoch erst am Anfang, sodass volumenreiche langfristige, d.h. über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren laufende, Wasserstoffabnahmeverträge mangels vorhersehbarer Preise nach wie vor eher die Ausnahme sind. Diese Unsicherheit – "niemand will der Erste sein" – führt aktuell noch zu einer Zurückhaltung privater Investoren für entsprechende Großprojekte, die sich unmittelbar auf Projektentwickler und -betreiber auswirkt. Vor allem Banken, die üblicherweise wesentliche Fremdfinanzierungsmittel für Großprojekte im Rahmen einer sog. Projektfinanzierung zur Verfügung stellen, haben derzeit Probleme mit der "bankability" solcher Projekte.
Zur Überwindung der Unsicherheit über die Preisentwicklung und zur Schaffung eines Marktes für grünen Wasserstoff schafft die Bundesregierung im Rahmen der H2Global Initiative einen langfristigen Abnehmer. Hierzu wurde unter dem Dach der H2Global Stiftung, die aus Mitgliedern der Energie-, Maschinenbau-, Logistik- und Finanzbranche besteht, im November 2021 die Hydrogen Intermediary Company bzw. HINT.CO GmbH gegründet. Die Gesellschaft soll importierte und mit ausschließlich grünem Wasserstoff hergestellte synthetische Energieträger (Power-to-X-Produkte) auf Grundlage langfristiger Abnahmeverträge ankaufen (perspektivisch soll auch der Import von reinem grünem Wasserstoff gefördert werden). Anbieter sollen in Bieterverfahren mit mehreren Losen ermittelt werden. Die Power-to-X-Produkte sollen dann in Auktionen auf der Grundlage kurzfristiger Verkaufsverträge mit deutschen und europäischen Unternehmen veräußert werden.
Eine Differenz zwischen Ankaufspreis und Verkaufspreis wird durch Fördermittel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ausgeglichen. Diese Mittel stehen der HINT.CO über einen zweckgebundenen Zuschuss in Höhe von insgesamt 900 Millionen Euro zur Verfügung; daraus erstmals im Haushaltsjahr 2024 insgesamt 20 Millionen Euro, in 2025 insgesamt 60 Millionen Euro und in den Folgejahren bis 2033 jeweils 102,5 Millionen Euro. Die Zuwendung wurde im Dezember 2021 von der EU Kommission beihilferechtlich genehmigt.
Die HINT.CO steht nur Anbietern zur Verfügung, deren (geplanter) Produktionsstandort der Power-to-X-Produkte sich außerhalb der EU und EFTA-Staaten befindet.
Die HINT.CO steht vorerst nur für Verträge über die Lieferung von Power-to-X-Produkten in Form von Ammoniak, Methanol und Jetfuel zur Verfügung, die jeweils mit ausschließlich grünem Wasserstoff hergestellt wurden.
Für die Herstellung des grünen Wasserstoffes sind als erneuerbare Energiequellen jeweils auch Windkraft, solare Strahlungsenergie oder Geothermie zu nutzen.
Die HINT.CO als Vertragspartner stellt neben der Herstellung auch hinsichtlich des Transports Anforderungen an Lieferanten. So muss der Transport jedenfalls auch über die Häfen in Rotterdam, Hamburg und Duisburg angeboten werden. Zudem beziehen sich die Vorgaben zur CO2-Reduktion konsequenterweise auf das Gesamtprojekt einschließlich Transport bis zum Anlandungspunkt in der EU.
Für die Absicherung eines Vorhabens dürften den Vertragspartnern der HINT.CO keine direkten Ansprüche gegen die Bundesrepublik zur Verfügung stehen. Der Zuwendungsbescheid an die HINT.CO schließt die Abtretung von Forderungen daraus an Dritte ausdrücklich aus.
Aufgrund der nationalen (vergabe-)rechtlichen Einkleidung erfordern entsprechende Projekte insgesamt eine enge Verzahnung der rechtlichen bzw. regulatorischen Vorgaben im Herstellungsland mit denen der Bundesrepublik.
Durch die Beschränkung auf Herstellung außerhalb der EU und EFTA-Staaten löst die Bundesregierung ein aktuelles Dilemma. Zusätzliche Erzeugungskapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien dürften schon angesichts der Geschwindigkeit des bisherigen Zubaus gegenüber dem beabsichtigten zügigen Markthochlauf kein ausreichendes Szenario sein. Der Koalitionsvertrag sieht eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030 vor. Hingegen stehen der deutlich zügiger zu realisierenden Nutzung bestehender Erzeugungskapazitäten erhebliche Umwandlungsverluste gegenüber, die letztlich die Energiewende zurückwerfen würden. Zudem dürfte durch das Bieterverfahren der Fokus der Förderung auf sehr sonnen-, und dadurch ertragsreiche Staaten gelegt werden.
Letztlich dürfte die Weichenstellung im Rahmen der H2Global Initiative keine Vorabentscheidung, sondern ein erster Schritt für ein zukünftiges Nebeneinander sein. Die Wasserstoffstrategie und der Koalitionsvertrag betonen, dass die Erzeugungskapazitäten sowohl durch Offshore-Windenergie als auch europäische und internationale Energiepartnerschaften sichergestellt werden sollen. Laut der Wasserstoffstrategie ist eine starke und nachhaltige inländische Wasserstoffproduktion und -verwendung als "Heimatmarkt" unverzichtbar.
Die hohe Geschwindigkeit, mit der die H2Global Initiative vorangetrieben wird stimmt jedenfalls zuversichtlich, dass das zugrundeliegende Konzept weiterentwickelt und die Erfahrungen aus der H2Global Initiative möglichst zeitnah für vergleichbare Projekte auf nationaler und europäischer Ebene genutzt werden können. Dies dürfte auch zur Aufhebung des mit dem H2Global Instrument aktuell bestehenden faktischen Wettbewerbsnachteils für inländische Erzeugung wünschenswert sein. Eine entsprechende Entwicklung einer nationalen Herstellungskapazität zur Reduktion von Importabhängigkeit dürfte jedenfalls angesichts der aktuellen Versorgungssituation erheblichen Rückenwind erhalten.
Zudem wären im Sinne der beabsichtigten möglichst zügigen und umfassenden Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft vergleichbare Projekte auf nationaler und europäischer Ebene mit einer höheren Technologienneutralität wünschenswert.
Verfasst von Pascal Wagenführ.